Der Liebhaber meines Mannes
und ich stand einen Augenblick, hielt es im Arm und beobachtete, wie er unaufgefordert ins Gästezimmer ging.
In einem Aufräumanfall hatte ich Staffelei und Farben weggeräumt und der Stuhl, auf dem er Modell gesessen hatte, war jetzt wieder an seinem richtigen Platz neben dem Bett.
Er blieb in der Mitte des Zimmers stehen und drehte sich um, sah mich an. »Willst du mich nicht malen?« Seine normalerweise roten Wangen waren blass und seine Augen kalt.
Ich hielt immer noch den Mantel fest. »Wenn du willst …«, sagte ich, mich nach einem Platz umsehend, wo ich ihn ablegenkönnte. Ihn aufs Bett zu legen, schien ein bisschen zu dreist. Wie das Schicksal herausfordern.
»Ich dachte, das würden wir hier machen. Ein Porträt. Dienstagabends. Ein Porträt von einem
normalen
Menschen. Wie mir.«
Ich hängte seinen Mantel über den Stuhl. »Ich kann dich zeichnen, wenn du willst.«
»Wenn ich will? Ich dachte, du wolltest es.«
»Nichts ist vorbereitet, aber –«
»Das hier ist gar kein Studio, stimmt’s?«
Ich überhörte das. Ließ einen Moment des Schweigens verstreichen. »Warum besprechen wir das nicht im Wohnzimmer?«
»Hast du mich unter einem Vorwand hierhergeholt?« Seine Stimme war leise und zitterte vor Wut. »Du bist einer von diesen
Aufreißern,
stimmt’s? Du hast mich nur aus einem Grund hierhergeholt, stimmt’s?«
Er leckte sich die Lippen. Schob seine Manschetten hoch. Machte einen Schritt auf mich zu. In dem Augenblick war er jeder Zoll der einschüchternde Polizist.
Ich trat zurück, setzte mich aufs Bett und schloss die Augen. Ich war bereit für den Schlag. Für die große Faust auf meinem Wangenknochen. Du hast dir diesen Schlamassel selbst eingebrockt, Hazlewood, sagte ich mir. Diese harten Kerle sind alle gleich. Genau wie Thompson in der Schule: Nachts hat er mich gefickt und tagsüber bekämpft.
»Beantworte meine Frage«, forderte er mich auf. »Oder hast du keine Antwort?«
Ohne die Augen zu öffnen, entgegnete ich so sanft, wie ich konnte: »Behandelst du so deine Verdächtigen?«
Ich weiß nicht genau, was mich dazu trieb, ihn so herauszufordern. Ich vermute, ein Rest Vertrauen in ihn. Irgendein Glaube, dass seine Angst vorübergehen würde.
Ein langes Schweigen. Wir waren immer noch nah beieinander;ich konnte hören, wie seine Atmung langsamer wurde. Ich öffnete die Augen. Er ragte bedrohlich vor mir auf, hatte aber wieder seine normale, leicht gerötete Gesichtsfärbung. Seine Augen waren tiefblau.
»Ich kann dich zeichnen«, sagte ich und sah zu ihm auf. »Ich würde es gerne tun. Ich will das Porträt fertig machen. Das ist keine Lüge.«
Sein Kiefer arbeitete langsam, als würde er eine Äußerung zurückhalten.
Ich sagte seinen Namen. Und als ich die Hand ausstreckte und sie um seinen Oberschenkel schlang, rührte er sich nicht von der Stelle. »Es tut mir leid, wenn du denkst, ich hätte dich nur aus einem Grund hierhergeholt. Das stimmt ganz und gar nicht.«
Ich sagte noch einmal seinen Namen. »Bleib diesmal über Nacht«, sagte ich.
Ich spürte seinen Oberschenkel hart an meiner Hand.
Nach einer Weile atmete er aus. »Du hättest mich nicht herbitten sollen.«
»Du wolltest kommen. Bleib über Nacht.«
»Ich weiß nicht …«
»Es gibt nichts zu überlegen. Es gibt nur das, was du und ich tun müssen.« Meine Wange war jetzt dicht an seiner Leiste.
Er entzog sich meinem Griff. »Ich bin hergekommen, um dir zu sagen, dass ich nicht mehr kommen kann.«
Langes Schweigen. Ich blickte ihn unverwandt an, aber er erwiderte den Blick nicht.
Schließlich sagte ich und hoffte, dass ich dabei heiter klang: »Musstest du herkommen, um mir das zu sagen? Konntest du nicht einen Brief durch die Tür stecken?«
Als er nicht antwortete, konnte ich nicht anders, als hinzuzufügen: »Vielleicht mit ungefähr folgendem Text: ›Lieber Patrick, es war nett, dich kennengelernt zu haben, aber ich muss unsereFreundschaft beenden, denn ich bin ein ehrbarer Polizist und auch ein Feigling‹ –«
Er schlug mit einem Arm. Instinktiv duckte ich mich, aber es kam kein Schlag. Ich war beinahe enttäuscht. Mit Scham gebe ich zu, dass ich seine Hand spüren wollte, egal, was es kostete. Statt meine Wange zu treffen, ging seine Faust an seine eigene Schläfe und er bohrte die Knöchel ins Fleisch. Dann machte er ein merkwürdiges Geräusch – etwas zwischen Gurgeln und Seufzen. Sein Gesicht verwandelte sich in eine schreckliche rote Maske, Augen und Mund
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