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Der Lilienpakt

Der Lilienpakt

Titel: Der Lilienpakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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darauf. Dann verschwand er in der Dunkelheit.

5
    Eine Woche später rüsteten sich Roland und Antoine zum Aufbruch nach Paris. Viel mitnehmen durften sie nicht. Sie bereiteten sich auf ihre Soldatenzeit hauptsächlich durch zusätzliche Fechtstunden bei Maître Nancy vor.
    Maman traf Vorkehrungen für unsere ominöse Reise. Kurz nachdem meine Brüder mit anderen Kadetten feierlich bei den Musketieren aufgenommen worden waren, würden wir aufbrechen.
    Als ich verwundert nach dem Grund der Reise fragte, antwortete Maman nur, dass sie tatsächlich der Meinung sei, eine junge Dame müsse ein wenig umherreisen, bevor sie sich in den Hafen der Ehe begab.
    Ich konnte nicht behaupten, dass ich dem erfreut entgegensah. Die Reise würde mich vom Unterricht mit Maître Nancy abhalten. Aufgrund der zusätzlichen Stunden für meine Brüder war er bereits etwas verkürzt worden.
    »Ich werde die Stunden mit Euch vermissen«, gab er bei unserer vorerst letzten Stunde zu. Das überraschte mich. Sonst wahrte er immer eine würdevolle Distanz zu mir. Vertrauliche Gespräche und Klatsch, wie ich sie mit Julie austauschte, gab es bei ihm nicht. Ja, ich wusste nicht einmal, ob er Verwandte hatte oder einmal verheiratet gewesen war. Allein und zurückgezogen lebte er im Dorf.
    »Wenn möglich werde ich während der Reise üben«, versprach ich ihm. »Wenn uns Straßenräuber überfallen, werde ich es ihnen zeigen!«
    Maître Nancy legte die Hand auf meine Schulter und sah mich ernst an.
    »Wir sollten dafür beten, dass Ihr nicht in solch eine Situation geratet. Eure Mutter könnte sich zu Tode erschrecken, und das wollt Ihr doch nicht.«
    Anders gesagt, er hielt mich noch nicht für geschickt genug, um es mit einer ganzen Straßenbande aufzunehmen. Aber ich zürnte ihm deswegen nicht. Wenn ich zurück war, würde ich mich bei den Fechtstunden noch mehr anstrengen.
    In der Nacht des 9. Mai, zwei Tage vor unserem Aufbruch nach Paris, zog ein Gewitter auf. Stundenlang tobte es über dem Schloss und raubte mir den Schlaf. Zusammengekauert lag ich im Bett und presste mir das Daunenkissen auf die Ohren. Das Donnergrollen, das über den Himmel hinwegzog, fand seinen Widerhall in meiner Brust und brachte mich dazu, die Augen zusammenzukneifen.
    Ich hatte keine Angst vor den Blitzen, auch nicht vor dem Sturm, obwohl ich wusste, welche Verheerungen er anrichten konnte. Doch der Donner tat meinem empfindlichen Gehör weh.
    Als schließlich auch die Kissen nicht halfen, setzte ich mich seufzend auf und presste die Hände auf meine Ohren.
    Dabei fiel mein Blick auf den aus mehreren Teilen zusammengesetzten Spiegel, der gegenüber meinem Bett angebracht war. Keine Ahnung, warum mir gerade heute auffiel, wie wenig ich doch den anderen Mitgliedern meiner Familie ähnelte. Roland hatte glattes, schwarzes Haar wie Papa, Bernard kastanienbraune wie Maman. Antoine war ebenfalls dunkelhaarig und hatte Mamans blaue Augen. Ich hingegen hatte honigblonde Locken und grüne Augen. Wie konnte so etwas angehen?
    Ein neuerlicher Blitz vertrieb meine Gedanken. Er war lavendelfarben und leuchtete ungewöhnlich lange. Kein Donner folgte ihm. War das ein Omen?
    Überzeugt davon, dass das Krachen noch folgen würde, stieg ich aus dem Bett. Ich brauchte etwas Wirkungsvolleres, um mein Gehör zu schützen. Wenn ich mir ein wenig Watte aus Madame Poussiers Nähkorb in die Ohren stopfte, würde das Gewitter vielleicht erträglicher sein.
    Ich hüllte mich in meinen blausamtenen Morgenmantel und schob meine Füße in die Pantoffeln. Ein weiterer Blitz zuckte, als ich zur Tür eilte. Das folgende Krachen war doppelt so laut, als gelte es für den stummen Blitz gleich mit. Der Boden vibrierte unter meinen Füßen und in meiner Brust, ein grelles Summen durchzog meine Ohren. Erschrocken krümmte ich mich zusammen.
    »Lieber Gott, lass es aufhören«, murmelte ich, doch ich bezweifelte, dass er es bei dem Krach am Himmel hören konnte. Wahrscheinlich würde ich taub werden, wenn das so weiterging!
    Während das Grollen abebbte, raffte ich rasch den Mantelsaum hoch und lief den Gang entlang zu Antoines Schlafzimmer. Vielleicht brauchte er auch ein wenig Watte für die Ohren. Sanft kratzte ich an der Tür und hoffte, dass er es durch das Sturmgetöse hören würde.
    Doch nichts tat sich.
    »Antoine?«, fragte ich zunächst leise, wiederholte es dann lauter, erhielt aber keine Antwort. Als ich die Tür vorsichtig öffnete, war niemand da. Antoine hatte sein Bett nicht einmal

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