Der Lilienpakt
einen Stapel Holzscheite, die neben dem kleinen Fenster aufgeschichtet waren. Ich zog Antoines Medaillon unter meinem Hemd hervor und öffnete es.
Was meinst du, Antoine?, fragte ich ihn in Gedanken. Ob der Musketier etwas über die Schwarze Lilie weiß?
Während ich über die Locke strich und die Nase hochzog, kam mir plötzlich eine Idee. Vielleicht sollte ich zu ihnen gehen. Athos war nicht umsonst hier aufgetaucht. Möglicherweise hatte meine Familie mir dieses Zeichen gesandt und hoffte darauf, dass ich es erkannte.
Gelächter vertrieb meine Gedanken. Als ich hinausblickte, traten der Musketier und Garos gerade aus der Werkstatt. Sie schüttelten sich herzlich die Hände, dann stieg Athos auf sein Pferd und sprengte davon.
Jules eilte mit langen Schritten zum Schuppen. Er strahlte über beide Ohren.
»Monsieur d’Athos hat zu dem Degen sogar noch einen neuen Parierdolch verlangt! Stell dir das einmal vor!«
Ich rang mir ein Lächeln ab. »Das ist wunderbar.«
»Und ob! Papa wird wohl für Wochen gute Laune haben. Gut für uns!«
Ich war froh, dass mein Verhalten den Musketier nicht beleidigt hatte, doch in diesem Augenblick gingen mir ganz andere Gedanken durch den Sinn. Die Begegnung mit Athos konnte kein Zufall sein. Ich musste versuchen, in den Dienst des Musketiers zu kommen!
Den ganzen Tag wurde ich das Bild des Musketiers nicht mehr los.
Suche Hilfe bei Musketieren. Athos mochte vielleicht brummig sein, aber er war ein Musketier. Sollte ich mich wirklich an ihn wenden? Mein Gefühl sagte Ja, doch mein Verstand zweifelte. Wenn ich meine Identität preisgab, würde das vielleicht bis zur Schwarzen Lilie durchsickern. Es gab immer wieder Lauscher.
Außerdem, wie sollte ich Athos beweisen, wer ich war? Konnte er mit dem Namen d’Autreville etwas anfangen? Er war nicht einmal dreißig, wenn ich mich nicht verschätzte, und damit zu jung, um meinen Vater zu kennen.
Aber vielleicht konnte ich ihm meine Dienste als Page anbieten!
Das war blanker Wahnsinn, denn wenn Athos entdeckte, dass ich ein Mädchen war, würde ich sicher bestraft werden. Doch wie sollte ich sonst an die Schwarze Lilie herankommen? Hier kam ich keinen Schritt weiter. Während meine Familie in ihrer Gruft ruhte, lachten sich die Mörder ins Fäustchen oder, schlimmer noch, sie fielen über die nächste Familie her und ermordeten erneut Unschuldige.
Diese Gedanken nahmen mich dermaßen gefangen, dass ich mich bei den abendlichen Fechtübungen kaum konzentrierte. Als es Jules gelang, mir einen Stoß gegen den Arm zu versetzen, hielt er erschrocken inne.
»Was ist los?«
Ich rieb mir den Arm und ärgerte mich über mich selbst.
»Nichts, was soll sein?«, fuhr ich ihn an.
»Verzeih bitte.« Jules streckte die Hand nach mir aus. »Ich dachte, du würdest den Stoß wie immer parieren.«
Ich lächelte ihn schief an. Vor Unachtsamkeit hatte mich Maître Nancy immer gewarnt. Sie war der wahre Grund, weshalb gute Fechter in Duellen starben. »Ich war nur kurz abgelenkt«, entgegnete ich und hob den Degen wieder. Die Stelle, an der mich die hölzerne Degenspitze getroffen hatte, pochte. »En garde!«
»He, ihr da!«, erklang da eine Männerstimme. »Ihr duelliert euch doch nicht etwa? Das ist gegen die Order des Kardinals!«
Beinahe gleichzeitig wirbelten wir herum. Es war aber nicht die Kardinalsgarde, sondern François und Jacques.
Hatten sie in der Schmiede nichts mehr zu tun? Warum hatte Jacques einen Weinschlauch bei sich? Gab es etwas zu feiern?
»Was sucht ihr denn hier?«, fragte Jules verwundert.
»Soeben kam ein neuer Auftrag, diesmal aus der Kaserne der Musketiere«, erklärte François. »Wir werden also noch eine Weile bleiben können.«
»Dein Vater war so nett, uns einen kleinen Umtrunk zu erlauben«, setzte Jacques hinzu und hob den Weinschlauch in die Höhe. »Wollt ihr auch?«
Nur schwerlich konnte Jules verbergen, dass ihm ihr Auftauchen gar nicht passte. Auch ich war alles andere als erfreut.
Aber das war den beiden Schmiedegesellen gleichgültig. Sie setzten sich unter die Ulme, Jacques rülpste herzhaft und öffnete dann den Weinschlauch. François musterte uns interessiert. »Na, dann zeigt doch einmal, was ihr könnt!«
Ich sah Jules an, in der Hoffnung, dass er meinen Gedanken erriet. Auf keinen Fall wollte ich den beiden zeigen, dass ich wirklich fechten konnte! Ich hatte die Bemerkung von Jacques vor dem Kirchgang nicht vergessen. Seitdem hatte ich mein Seidenhemd im Bündel gelassen und das
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