Der Lilienpakt
Musketieren.
Würden sie mir wirklich helfen können?
An einem heißen Julimorgen, als der Meister Jacques und François einen Tag freigegeben hatte, ritt ein Mann auf den Hof der Schmiede. Das Blau seiner Tunika stach mir schon von Weitem ins Auge. Seine Stiefel waren blank poliert, weiße Federn wehten an seinem Hut. Er brachte seinen Rappen zum Stehen und sprang aus dem Sattel. Als er seinen Hut vom Kopf zog, fiel rotbraunes Haar über seine Schultern. Sein Bart an Oberlippe und Kinn war nach neuester Mode gestutzt.
»Maître Garos!«, polterte er, während er die linke Hand auf seinen Degengriff stützte. Suchend blickte er sich um.
»Mach den Mund wieder zu«, sagte Madame Garos zu mir. »Es ist bloß Monsieur d’Athos.«
Für mich war dieser Mann allerdings nicht ›nur‹ Monsieur d’Athos. Dieser Mann war ein Musketier. Ein Wink des Schicksals!
Monsieur Garos und Jules kamen sogleich die Treppe heruntergelaufen. Ich schloss mich ihnen an.
»Ah, da seid Ihr ja!«, rief der Musketier aus. »Seid gegrüßt, Maître Garos.«
Der Waffenschmied verneigte sich vor dem Musketier so tief, als hätte er einen König vor sich. Das erschien mir ein wenig übertrieben, aber ich konnte nicht leugnen, dass unser Kunde etwas Majestätisches an sich hatte.
»Monsieur d’Athos, seid mir willkommen! Wie können wir Euch zu Diensten sein?«
Der Musketier musterte mich missbilligend. Störte es ihn, dass ich mich nicht bis zum Boden verneigt hatte?
Ich erwiderte seinen Blick unerschrocken, denn ich wusste von meinem Vater, dass es Musketiere nicht schätzten, wenn man ihnen auswich. Einem Feind blickte man ins Auge.
Lange hielt er sich zum Glück nicht mit mir auf.
»Ich brauche einen neuen Degen.« Athos zog seine Waffe aus der Scheide. Sie war zur Hälfte abgebrochen. Wie hatte er denn das fertiggebracht?
»Wenn ich anmerken darf, das ist eine sehr nachlässig gefertigte Waffe«, lieferte der Waffenschmied die Erklärung. Als Garos den Degen begutachtete, fiel mir auf, dass die Glocke schlecht verarbeitet war.
»Deshalb komme ich zu Euch, Meister. Mit einem Eurer Degen wäre das nicht passiert.«
»Und wie ist es passiert?«, platzte es aus mir heraus.
Jules versetzte mir einen Stoß zwischen die Rippen.
Der Musketier sah mich finster an. »Das geht dich nichts an, Bursche! Doch wenn du ein wenig fechten lernen willst, überlasse ich ihn dir.«
Ich wollte schon erwidern, dass ich ihn nicht brauchte, als Jules mir einen warnenden Tritt verpasste. Ich presste die Lippen zusammen und schwieg. Monsieur Garos brauchte den Auftrag dieses Herrn, also durfte ich ihn nicht verärgern.
»Du willst ihn nicht?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Gut, dann werde ich ihn in der Seine versenken. Wo er hingehört.« Athos sah noch immer finster drein.
»Monsieur d’Athos, kümmert Euch nicht um meinen Lehrjungen. Ich werde ihm die frechen Reden schon austreiben.«
Athos betrachtete mich noch eine Weile, dann klopfte er dem Waffenschmied auf die Schulter. »Also dann, Garos, lasst uns über den Degen reden! Ich benötige eine Klinge, mit der ich schnell angreifen kann. Allerdings sollte sie auch nicht zu leicht in der Hand liegen. Immerhin bin ich kein kleiner Junge!«
Damit meinte er natürlich mich. Diesmal zwang ich mich zur Ruhe. Der Mann war ein Musketier des Königs! Das Ansehen, das diese Männer im gesamten Land genossen, führte bei einigen wohl zu Hochmut. Dennoch war ich fasziniert von diesem Mann, denn er strahlte etwas Geheimnisvolles aus.
Während Garos seinen Kunden in die Werkstatt führte, zerrte mich Jules zum Holzschuppen. »Du kannst von Glück sagen, dass er dir nicht eine Tracht Prügel verabreicht hat. Die Musketiere sind nicht für ihren Langmut bekannt. Viele von ihnen sind hitzköpfig und ihr Blut ist leicht in Wallung zu bringen. Und Monsieur d’Athos ist der beste Fechter, den die Musketiere haben.«
Aus seinen Augen sprach unverhohlene Bewunderung.
»Jules!«, rief da sein Vater.
»Beschäftige dich irgendwie«, legte Jules mir rasch ans Herz. »Mach aber um Himmels willen nichts Dummes oder etwas, bei dem du dich verletzen kannst.«
Fast klang er wie mein Bruder Bernard. Der Ratschlag hätte von ihm kommen können.
»Ja, großer Bruder!«, entgegnete ich spöttisch und versuchte den Schmerz, den mir der Gedanke an Bernard verursachte, damit zu übertünchen.
Jules ging – zum Glück, denn nun kullerten mir die Tränen über die Wangen. Ich betrat den Holzschuppen und hockte mich auf
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