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Der Lilienpakt

Der Lilienpakt

Titel: Der Lilienpakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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beobachtete ich, wie sich die Frau hastig bekreuzigte.
    »Verzeiht, Monsieur«, sprach ich den vermeintlich furchtlosen Fremden an. »Was ist denn die Schwarze Lilie? Eine giftige Blume?«
    Der Mann blickte mich erstaunt an, dann schüttelte er entgeistert den Kopf. »Sag bloß, du hast noch nie davon gehört?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich bin erst seit ein paar Tagen in Paris.«
    Der Mann blickte mich misstrauisch an. »Selbst wenn du erst ein paar Stunden hier wärst, müsstest du es wissen.«
    »Warum denn?«, zischte die Frau neben ihm wieder. »Er ist vielleicht schlauer als du und will sich nicht ins Unglück stürzen.« Die Frau beugte sich zu mir, Branntweingeruch wehte mir entgegen. »Hör zu, Kleiner, wenn ich du wäre, würde ich nichts über diese Leute wissen wollen, Sie sind wirklich ein Gewächs, ein tödliches Gewächs.«
    »Es sind Spinner«, entgegnete der Mann furchtlos. »Männer, die ihre privaten Fehden unter dem Deckmantel einer Geheimgesellschaft verbergen. Wahrscheinlich wollen sie nur das Duellverbot umgehen und schlagen sich heimlich.«
    »Sie stehen mit dem Teufel im Bunde!«, zischte die Frau. »Meide sie, wenn du kannst, Junge.«
    »Und woran erkenne ich sie?«
    »An den Lilien«, entgegnete die Frau. »Sie alle sollen eine Lilie bei sich tragen. Du weißt doch sicher, dass man Verbrecher mit dem Lilienzeichen brandmarkt.«
    Ich schluckte. Was für ein unheimliches Weib!
    »Seht, jetzt heben sie ihn auf die Bahre!«, rief einer der Männer. Die Frau wandte sich wieder von mir ab.
    Als ich nach vorn sah, trat gerade ein Medikus neben den Leichnam. Bei allem Grauen, das mich bei dem Anblick erfüllte, hätte ich zu gern gehört, was er feststellte. War es Mord gewesen? Oder war der Mann freiwillig in die Fluten gesprungen? Handelte es sich vielleicht um einen Unfall?
    Da wir zu weit entfernt waren, hörte ich allerdings nur gemurmelte Vermutungen.
    »Was glaubst du?«, fragte ich Jules, der den Hals reckte, um möglichst viel mitzubekommen. Dass er gut einen Kopf größer war als ich, erwies sich als Vorteil.
    »Schwer zu sagen. So wie der Medikus dreinschaut, vermutet er wohl keinen Mord.«
    »Vielleicht will er sich die Sache nur einfach machen.«
    »Das darf er allein schon von Amts wegen nicht! Siehst du all die Menschen? Sie wollen wissen, was geschehen ist. Und ebenso die Königin. Die Maréchaussée ist angehalten, jedes Verbrechen zu untersuchen.«
    Erschaudernd blickte ich mich nach dem Mann und der Frau um. Vielleicht hatten sie ja auch dazu eine Meinung?
    Doch die beiden waren verschwunden.

Zweites Buch
    Der Musketier
Frühjahr 1645

1
    In den kommenden Tagen brodelte die Gerüchteküche in Paris heftig. Auch wenn sich andere, wichtigere Dinge ereigneten, fragte sich jedermann, wer der Tote aus der Seine sei. Ihn zu identifizieren war beinahe unmöglich, denn das Wasser hatte seine Gesichtszüge derart entstellt, dass ihn niemand erkannte. Da die Zeit verrann und man nicht mehr länger warten wollte, verscharrte man ihn irgendwo auf dem Armenfriedhof, wo ein wackliges Holzkreuz ohne Namen auf das Grab hinwies.
    Die La Gazette, die ein Kunde in der Schmiede liegen ließ, berichtete über diesen Fall und stellte Mutmaßungen an, von denen aber keine so recht zutreffen wollte. Die Bewohner unseres Viertels einigten sich schließlich darauf, dass der Mann dem fahrenden Volk angehört hatte.
    Den Verdacht, dass die Schwarze Lilie etwas damit zu tun haben könnte, äußerte niemand mehr. Wenn Jules und ich am Seine-Ufer entlanggingen, hielt ich Ausschau nach dem Mann und der Frau, die den Geheimbund zur Sprache gebracht hatten, doch ich entdeckte sie nirgends.
    Das musste nichts heißen. Die beiden konnten ebenso zufällig dort gewesen sein wie Jules und ich. Doch in meiner Fantasie spielte sich ein anderes Szenario ab. Vielleicht waren unter den Schaulustigen die Verantwortlichen für den Tod des Fremden. Als sie hörten, dass über die Schwarze Lilie spekuliert wurde, schnappten sie sich das seltsame Paar. Jules und ich wurden wohl nur verschont, weil ich mich unwissend gestellt hatte …
    Diese Geschichte verursachte mir eine Gänsehaut. Aber ich behielt sie für mich. Genauso wie den Zettel. Ich hatte ihn Jules noch immer nicht gezeigt. Nacht für Nacht versuchte ich Antworten auf meine Fragen zu finden. Da die Geheimschrift nur unter Wärmeinwirkung zu sehen war, entzündete ich des Abends manchmal eine Kerze, bis die Buchstaben wieder erschienen.
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