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Der Lilienpakt

Der Lilienpakt

Titel: Der Lilienpakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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nicht wahr? Die jüngsten Söhne haben meist viel von einem Mädchen. Und sie sind begehrt bei den Frauen.«
    »Das weiß ich nicht zu beurteilen.«
    Mit wurde heiß und kalt. Panik stieg in mir auf. Er weiß es!, schoss es mir durch den Kopf. Er will dich zu einem Geständnis bewegen!
    »Dann hattest du noch nie eine Frau?« Jacques’ prüfender Blick durchbohrte mich. »Oder hältst du es eher mit den Burschen? Ich habe mir sagen lassen, dass es auch so etwas gibt. Besonders bei zarten Jungen wie dir.«
    Auf einmal kam es mir so vor, als würde ich keine Luft mehr bekommen. Ich roch den Rauch in Jacques’ Kleidern und den Schweiß auf seiner Haut. Zu allem Überfluss leckte er sich kurz über die Lippen.
    Madame Garos rettete mich unvermutet. »Christian, komm ins Haus, du musst etwas für mich erledigen!«
    Unendlich dankbar sprang ich auf.
    »Entschuldigt mich!«
    Ich spürte Jacques’ Blick in meinem Rücken, drehte mich aber nicht nach ihm um.
    Als ich durch die Tür trat, drückte mir Madame Garos eine irdene, in ein dickes Tuch gewickelte Schüssel in die Hand. »Bringt das zu Monsieur Ismael und richtet ihm meine Grüße aus.«
    Dankbar nahm ich die Aufgabe an. Der alte Schreiber würde mich wenigstens nicht mit Fragen löchern.
    Der würzige Duft des Eintopfs ließ mir das Wasser im Mund zusammenlaufen und vertrieb ein wenig den Gedanken an den Schmiedegesellen. Die Hitze auf der Straße kam der in der Schmiede beinahe gleich.
    Ich eilte an der tauben Minou vorbei, die nur kurz den Kopf hob, um mir nachzusehen, dann stand ich auch schon vor Ismaels Tür.
    Aus irgendeinem Grund saß der Schreiber heute nicht draußen, dabei stand seine Bank im Schatten. War ihm nicht wohl? Oder wartete er schon auf sein Essen? Nie nahm er dieses draußen ein, er wollte immer ordentlich am Tisch sitzen.
    Ich kratzte an der Tür, und als keine Antwort ertönte, trat ich kurzerhand ein.
    »Bist du das, mein Junge?«, fragte der Schreiber, während er die Feder neben dem Blatt niederlegte. Tatsächlich saß er mit seinem Tablett am Küchentisch.
    »Ich bin’s, Monsieur Ismael, Christian«, antwortete ich, denn sonst brachte ihm immer Jules das Essen.
    »Ah, Christian! Was bringst du mir? Ich rieche Eintopf.«
    »Madame Garos hat mir aufgetragen, ihn Euch zu bringen.«
    »Wurzeln, Majoran und Hammel. Das lobe ich mir.«
    Er legte seine Feder auf das kleine Tablett, verschloss das Tintenfass und schob beides zur Seite, sodass ich die Schüssel abstellen konnte.
    Plötzlich schnellte die Hand des Schreibers vor und packte mich. »Mir scheint, du verbirgst etwas, mein Junge.« Bei diesen Worten überlief es mich heiß und kalt. Was sollte das? Glaubte er noch immer, ich sei ein Mädchen? Leider würde alles Verstellen meine Mädchenstimme nicht zu der eines Knaben machen. Trotzdem gab ich meine Maskerade nicht auf.
    »Nein, Monsieur, warum sollte ich?«
    »Du wirkst unruhig. Wenn du nichts zu verbergen hast, solltest du deine Nerven besser unter Kontrolle haben, sonst könnte der falsche Eindruck entstehen.«
    Ein zittriges Lächeln huschte über sein Gesicht, dann ließ er mich wieder los und wandte sich seinem Eintopf zu.
    Ich wollte schon aus der Tür laufen, da hielt er mich zurück.
    »Warte! Ich will dir eine Geschichte erzählen. Als Dank für den Eintopf.« Beklommen hielt ich inne. Sollte ich in die Werkstatt zurück oder hierbleiben? Beide Männer waren mir gleichermaßen auf der Spur.
    Der blinde Schreiber erschien mir letztlich ungefährlicher.
    Leise ließ ich mich auf der Bank neben der Tür nieder.
    »So ist es recht«, sagte der Alte und löffelte zufrieden seinen Eintopf.
    Während ich ihn beim Essen beobachtete, wuchs mein Unbehagen noch mehr. Warum wollte er mir gerade heute eine Geschichte erzählen? Und was für eine Geschichte würde das sein?
    »Du hast mich bei deiner Ankunft gefragt, wie ich das Augenlicht verloren habe.« Der Alte schwieg einen Augenblick gedankenvoll, dann begann er zu erzählen. »Ich erzähle den Leuten gern, dass ich die Fähigkeit, zu sehen, im Kampf verloren habe. Aber das stimmt nicht. Eines Tages erwachte ich und war blind. Einfach so.«
    »Geht das denn so einfach?«
    »Wie du siehst! Entweder hat sich Gott einen kleinen Scherz mit mir erlaubt oder meine Augen waren müde, all das, was sich Menschen gegenseitig antun, mit anzusehen.«
    Was hatte er wohl an Schrecklichem in seinem Leben gesehen?
    »Aber das ist noch nicht die Geschichte, die ich dir erzählen wollte.« Er lehnte

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