Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Lilienpakt

Der Lilienpakt

Titel: Der Lilienpakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
Vom Netzwerk:
mal einer unseren Kleinen an!«, rief Jacques, als er meiner ansichtig wurde. »Was für ein feines Hemd er trägt.«
    Spöttisch grinsend zupfte er an meinem Ärmel. Ich schlug seine Hand zurück und erntete einen zornigen Blick.
    »Hast du das Hemd einem Adligen von der Wäscheleine gestohlen?«, fragte Jacques. »Wenn dich jemand beim Stehlen erwischt, wird man dir die Hände abhacken.«
    »Es ist das beste Hemd, das er besitzt!«, verteidigte mich Jules. »Wie könnt ihr ihn des Diebstahls bezichtigen?«
    Jacques hob beschwichtigend die Hände. »Ist ja schon gut, reg dich nicht auf. Ich wollte deinen kleinen Freund nur ein wenig necken.«
    Es war das erste Mal, dass ich Jules zornig gegenüber den Gesellen erlebte. Jacques’ Beschwichtigung schien ihn nicht zu interessieren. Er sah ihn an, als wollte er sich jeden Augenblick auf ihn stürzen.
    »Kommt, es ist Sonntag, streitet euch nicht«, wandte Madame Garos ein, die nun zu uns trat. Mütterlich legte sie den Arm um meine Schulter. »Christians Mutter hat ihm extra ein Kirchgangshemd vom Kleidermarkt gekauft. Du hast mir doch erzählt, dass es einmal einem adligen Herrn gehört hat.«
    Ich nickte ein bisschen zu eifrig und war ihr überaus dankbar für diese Erklärung.
    »Ihr braucht euch also keine Sorgen zu machen, dass es gestohlen ist«, wandte sie sich wieder an die Gesellen. »Mein Mann und ich dulden so etwas nicht.«
    Jacques verneigte sich leicht vor der Meisterin. »Wie ich schon sagte, es sollte nur ein kleiner Scherz sein.«
    Madame Garos sah den Gesellen eindringlich an, dann gab sie mich wieder frei. Ich fragte mich, ob zwischen den beiden einmal etwas vorgefallen war. In diesem Augenblick wirkte die Frau des Waffenschmiedes jedenfalls nicht so, als wäre zwischen ihr und Jacques alles in Ordnung.
    Als wir die Schmiede verließen, schloss ich mich den Gesellen an. Dabei versuchte ich näher an François heranzurücken, denn Jacques’ Nähe war mir unangenehm. Hin und wieder traf mich sein Blick – und sein Lächeln. Es wäre nicht schlimm gewesen, wenn er mich zornig oder wütend angesehen hätte. Doch er wirkte, als sei er hinter ein Geheimnis gekommen. Ich musste meine ganze Selbstbeherrschung aufbieten, um nicht unruhig an meinem Hemdsärmel zu zupfen oder andauernd zu ihm hinzuschauen.
    Nach der Messe erlaubte Monsieur Garos Jules und mir, noch ein wenig in die Stadt zu gehen. Er selbst kehrte mit seiner Frau und den Gesellen in einem Gasthaus ein.
    Für einen Sonntag waren die Straßen ungewöhnlich belebt. Der Sonnenschein lockte viele Spaziergänger aus ihren Behausungen, verschlimmerte aber auch den Gestank der Stadt.
    Während wir zum Seine-Ufer gingen, plapperte Jules munter über dieses und jenes, ich hingegen war in Gedanken versunken. Sollte ich ihn wegen der Nachricht ins Vertrauen ziehen? Ich war hin-und hergerissen. Einerseits war Jules ein Freund, oder besser gesagt, das, was ich mir unter einem Freund vorstellte. Andererseits konnte diese Nachricht vielleicht auch eine Gefahr für ihn und seine Familie darstellen. Und vielleicht würde er auch darüber lachen und es für Unsinn halten.
    »Schau einmal, da drüben!«, stieß Jules plötzlich hervor.
    Ich entdeckte eine Menschentraube nahe der Quais. Etwa dreißig Menschen drängten sich dort, außerdem erkannte ich Männer in Uniformen der Maréchaussée, der königlichen Polizeitruppe.
    Was war passiert?
    »Lass uns dort hingehen«, schlug Jules vor. Bevor ich etwas einwenden konnte, zog er mich schon am Arm mit sich.
    Als wir am Ufer ankamen, wurde gerade mit langen Stäben nach etwas gefischt.
    Nach einigen Mühen zog man einen Mann ans Ufer. Er hatte schwarzes Haar, doch sein Gesicht konnte ich nicht erkennen. Sein Wams hing an ihm herunter. Der senfgelbe Stoff war von Algen, Schlick und Flusspflanzen bedeckt.
    Wer war er? Ein Spaziergänger, der ausgeglitten und in den Fluss gefallen war?
    Ich blickte fragend zu Jules. Der zuckte abwesend mit den Schultern.
    »Der ist wohl der Schwarzen Lilie begegnet«, wisperte jemand hinter mir.
    »Schweig still, du willst uns wohl ins Unglück stürzen?«, zischte eine Frauenstimme.
    »Warum sollte ich uns ins Unglück stürzen?«, erwiderte der Mann. »Du glaubst doch wohl nicht, dass die Schwarze Lilie Interesse an uns armen Schluckern hat! Die holen so reiche Halunken wie den da.«
    Ich war wie vom Donner gerührt. Die Schwarze Lilie! Zum ersten Mal erwähnte sie jemand auf der Straße!
    Als ich mich ein wenig zur Seite wandte,

Weitere Kostenlose Bücher