Der Lilienpakt
duftete.
Henri d’Aramitz’ Gesicht schob sich in mein Blickfeld.
»Ruht Euch ein wenig aus.« Sanft streichelte mir der Musketier über die Stirn, dann ließ er mich allein.
Für einen Augenblick war es still im Haus, dann vernahm ich die Stimmen der beiden Männer. Aramitz sprach leise, doch mein Gehör hatte unter den zahlreichen Neuigkeiten nicht gelitten. Er teilte seinem Vater mit, dass Athos gefallen war. Der alte Mann blieb zunächst stumm, dann erklang leises Weinen.
Ich hatte diesen Männern nur Unglück gebracht, und das wohl schon von meiner Geburt an.
Ich hatte für die Königin nie irgendwelche besonderen Gefühl gehegt, und Buckingham war nicht mehr gewesen als ein Name. Doch nun begann ich die beiden zu hassen. Wäre ich nicht gewesen, hätte der Mann, der immer mein Vater sein würde, auch wenn er es nicht war, sein Leben und seine Familie noch. Der Lilienpakt hätte nicht gegründet werden müssen, Athos hätte eine Frau finden und alt werden können. Und jetzt hatten sie alle ihr Leben verloren, und niemand konnte sagen, wie viele Leben meine Existenz noch kosten würde.
Glockenläuten riss mich aus meinen Gedanken. War das Athos’ Totenglocke? Oder brach der Morgen an? Ich konnte es nicht sagen, denn der Raum war fensterlos.
Nach einer Weile traten Henri und sein Vater ein. Ich öffnete die Augen. Meine Sicht war mittlerweile wieder klar.
»Wie geht es Euch?«, fragte Aramitz’ Vater mit gefasster Stimme. Der Leuchter in seiner Hand zitterte jedoch.
»Besser«, antwortete ich. »Bitte verzeiht, was ich Euch angetan habe.«
Der Alte zog überrascht die Augenbrauen hoch. »Ich soll Euch verzeihen? Ihr habt mir doch nichts angetan. So eine Schwäche kann jeden überkommen.«
»Das meinte ich nicht.« Ich atmete tief durch. »Ich meinte, was ich Euch allen angetan habe. Den Mitgliedern des Lilienpaktes. Vielleicht wäre ich damals besser gestorben. Oder nie gezeugt worden.«
»Unsinn!«, wischte der Alte mein Selbstmitleid fort. »Kein Mensch kann etwas für seine Existenz oder dafür, dass seine Eltern Liebe und Leidenschaft füreinander empfunden haben. Ihr habt niemandem etwas angetan, Prinzessin, die Schuld liegt bei der Schwarzen Lilie und allen, die ihren Nutzen aus Eurer Existenz ziehen wollten.«
»Welchen Nutzen?«
»Die Königin zu erpressen, zum Beispiel. Sie dazu zwingen, abzudanken. Viele Männer im Land gieren nach Macht, und nicht wenige davon gehören zur Schwarzen Lilie.«
»Die Königin wird sicher nicht abdanken, nur weil ihr Bastard bedroht wird. Vielleicht ist sie sogar froh, wenn ihr Geheimnis aus der Welt ist.«
»So dürft Ihr nicht reden. Wenn die Königin Euch nicht gewollt hätte, hätte sie sich eine Treppe hinunterstürzen können, um eine Fehlgeburt zu erleiden. Ihr seid das Kind ihrer wahren Liebe, und sie würde nichts tun, um Euch einer Gefahr auszusetzen. Deshalb hat sie Euch in die Obhut des Comte d’Autreville gegeben.«
»Und damit ihn und seine Familie dem Verderben preisgegeben.«
»Der Comte d’Autreville wusste, dass er einen hohen Preis würde zahlen müssen. Die Königin hat ihn nicht gezwungen, er hat sich freiwillig bereit erklärt. Er war sich darüber im Klaren, dass der Tod des Königs seine Familie auseinanderreißen würde. Seine Söhne, so war es beschlossen, sollten bei den Musketieren ihre Heimat und Sicherheit finden. Und Ihr Euer Wohl im Ausland, versteckt bei Freunden. Zu alldem ist es nicht mehr gekommen.«
»Und woher wussten die Mörder, wo ich zu finden war?«
Der Alte warf seinem Sohn einen vielsagenden Blick zu, dann antwortete er. »Ich möchte keine ungerechtfertigten Vermutungen in die Welt setzen, aber ich bin sicher, dass Ihr verraten wurdet. Von jemandem, der in das Geheimnis eingeweiht war.«
»Ihr habt also einen Verräter in Euren eigenen Reihen.«
»Ja, so sieht es aus.« Der alte Aramitz’ sah bekümmert aus. »Oder es war ein besonders raffinierter Spion am Werk. Allerdings ist das schwer vorstellbar, denn wir halten uns streng an unsere Regel, nicht mit zu vielen Personen in näheren Kontakt zu treten. Wie dir vielleicht aufgefallen ist, hatte Athos keine Frau. Henri hat nur seine Diener, die ihm auch Spionagedienste leisten. Nach dem Tod meiner Frau lebe auch ich allein.«
»Und uns hat nie jemand besucht«, murmelte ich.
»So ist es. Und wie Ihr seht, ist aus Euch eine junge Frau geworden. Eine Frau, die sich durchaus wehren kann. Mag die Wahrheit Euch auch von den Füßen gerissen haben, mag
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