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Der Lilienpakt

Der Lilienpakt

Titel: Der Lilienpakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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abgelaufen? Bisher hatte noch niemand ein Wort darüber verloren.
    Die Zahl der Trauergäste, die sich nach und nach in der Kirche einfanden, enttäuschte mich ein wenig, denn ich hätte erwartet, dass es mehr Menschen gab, die Athos mochten oder zumindest seinen Tod bedauerten. Ich versuchte mir einzureden, dass die große Kälte die Menschen davon abhielt, ihm das letzte Geleit zu geben. Aber vielleicht war es auch Angst. Angst davor, in das Blickfeld der Schwarzen Lilie zu geraten. Nicht umsonst hatte Aramitz mir geraten, meinen Degen mitzunehmen.
    Vor dem Altar war der Sarg des Musketiers aufgebahrt. Sein Anblick erinnerte mich wieder an die Särge meiner Familie und der Bediensteten. Ich wandte den Blick ab und zupfte nervös am Ärmel meines Wamses, das Aramitz mir gegeben hatte. Es war mir ein wenig zu groß, verbarg dafür aber meinen Busen recht gut, den ich wegen meines Verbandes in Augenblick nicht abbinden konnte.
    Ein Mann, den ich auf Mitte dreißig schätzte, trat schließlich zu uns. Er hatte einen Schnurrbart und schwarzes, glattes Haar, das er zu einer Seite gescheitelt trug. Er trug nicht den Rock der Musketiere, sondern den der Compagnie des Essarts. »Charles!«, sagte Aramitz und reichte ihm die Hand. »Wie gut, dass du kommen konntest.«
    »Als ich die Nachricht erhielt, konnte ich es kaum glauben. Ich wünschte, ich wäre dort gewesen, vielleicht hätte ich ihn retten können wie damals auf dem Le Prés du Clerks.«
    Damit meinte er einen der berüchtigtsten Duellplätze von ganz Paris. Dort hatte sich Athos geschlagen? Und wer war dieser Mann?
    »Ich wünschte auch, du wärst dort gewesen«, entgegnete Aramitz höflich, doch seine Augen sagten etwas anderes. Niemand hätte Athos helfen können.
    Als er meinen fragenden Blick bemerkte, räusperte er sich und machte den Neuankömmling auf mich aufmerksam. »Charles, ich möchte dir jemanden vorstellen. Christian de Sillègue, Athos’ Neffe.«
    »Christian, das ist Charles de Batz-Castelmore, hier allseits bekannt unter dem Namen d’Artagnan. Er dient unter Alexandre d’Essarts und strebt an, eines Tages den Musketieren beizutreten.«
    D’Artagnan nickte mir grüßend zu. »Es freut mich, dich kennenzulernen. Athos war ein recht guter Freund von mir. Ich hatte die Ehre, an seiner Seite zu kämpfen. Ich bedauere sehr, dass uns nicht mehr Zeit geblieben ist.«
    Aus dem Augenwinkel heraus bemerkte ich, dass Aramitz leicht lächelte. Doch ebenso schnell, wie das Lächeln gekommen war, verschwand es auch wieder, als er den Blick auf den Sarg richtete.
    »Wir sollten uns auf unsere Plätze begeben«, sagte er und legte mir die Hand auf die Schulter. Charles nickte und blieb zurück, während wir uns nach vorn begaben.
    »Heißt das, ich bin jetzt in Eure Familie aufgenommen?«
    »In gewissem Sinne schon. Athos’ nächste Verwandte sind zwar benachrichtigt, aber nicht hier. Niemand wird fragen, ob Ihr seid, für den ich Euch ausgebe.«
    »Und was ist mit der Schwarzen Lilie?«
    »Zweifelsohne müssen wir damit rechnen, dass man uns beobachtet. Allerdings wird niemand Verdacht schöpfen, denn im Gegensatz zu uns haben sie Euch nur als Diener meines Cousins zu Gesicht bekommen.«
    Trotzdem hatte ich ein ungutes Gefühl.
    Den Wunsch, lieber zu Hause geblieben zu sein, hatte ich jedoch nicht. Athos hatte es verdient, dass ich ihm das letzte Geleit gab.
    Als die Totenmesse schließlich begann, schloss ich die Augen. Ich lauschte abwesend den Worten des Priesters, der von Gottes Willen sprach, doch ich ließ nicht zu, dass sie meinen Verstand erreichten. Gott konnte nicht gewollt haben, dass ein so junger Mann einfach ermordet wurde. Athos’ einzige Sünde bestand darin, Mitwisser in einem Spiel zu sein, das den größten Skandal in der Geschichte Frankreichs heraufbeschwören konnte. Und das die Königin stürzen oder zur Marionette machen konnte, wenn die Hinweise in die falschen Hände gerieten.
    Am Ende der Zeremonie begleiteten wir den Sarg bis zum Kirchhof, wo eine dunkle Grube wartete. Ich konnte nicht weinen, denn ich fühlte mich wie erfroren. Nachdem der Sarg ins Grab gelassen worden war, warf ich drei Hände Erde auf den Deckel und zog mich dann zurück. Als ich den Kopf hob, erblickte ich eine dunkle Gestalt, die sich rasch hinter die Kirchmauer zurückzog.
    Sie waren hier. Entweder wollten sie sich am Tod ihres Feindes erfreuen oder nachsehen, wer alles zu seiner Beerdigung kam. Ich war froh, dass ich in den Jungenkleidern steckte, denn so

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