Der Lilienring
Unterschlupf finden.«
»Er ist ein Halunke, aber wenn Ihnen an ihm liegt... Soll ich mit ihm reden?«
»Markus ist ein charmanter Halunke, um das richtig zu stellen. Und, Monsieur, nicht zu halten. Wie ich aus eigener Erfahrung weiß.«
»Vermutlich bin ich nicht nur kurzsichtig, sondern tatsächlich blind.«
»Ja, Valerian. Was hältst du davon, die Augen aufzumachen?«
Er stand auf und ging zu ihr.
»Wenn ich das tue, dann sehe ich dich vor mir. In meinem Zimmer. In einem Hemd, viel zu durchsichtig für eine kühle Herbstnacht. Mit offenen Haaren. Warum, Marie-Anna? Warum? Du wirst doch nicht glauben, ich könne dir eine sichere Zukunft bieten.«
»Valerian, denkst du, ich versuche ein Geschäft mit meinem Körper zu machen?«
»Wäre es nicht möglich?«
»Ja, möglich wäre es schon.« Sie erhob sich ebenfalls und zog den Shawl am Hals eng zusammen. »Ich gehe jetzt besser, Monsieur. Danke für die Wärme und den Wein.«
»Anna!«
»Es ist schon gut.«
»Nein, das ist es nicht. Ich habe es wieder falsch gemacht.« Er stand vor ihr und hob ihre Hand an seine Lippen. »Du bist hier bei mir, Anna, was wünschst du dir?«
Sie senkte den Kopf, und blonde Wellen fluteten über ihr Gesicht. Er strich sie mit einer Hand zur Seite.
»Anna?«
Ihre Stimme war nur ein Hauch, doch er verstand sie.
»In deinen Armen zu schlafen.«
»Möchtest du das wirklich, mein Herz?«
»Ja, Valerian.«
Er zog sie an sich und hielt sie fest. Zärtlich küsste er ihre Stirn und ihre Augenbrauen.
»Dann komm mit.«
Den Arm um ihre Schulter gelegt führte er sie in das Nebenzimmer, in dem das hohe Pfostenbett auf seinen Besitzer wartete. Die Decken waren zurückgeschlagen, ein langes, weites Nachtgewand lag ausgebreitet am Fußende. Er nahm es auf und meinte: »Schlüpf unter
die Decke, ich schlafe nicht gerne in geheizten Zimmern, und hier ist es kühl.«
Marie-Anna legte den Shawl ab und zog fröstelnd das Plumeau über sich. Er entledigte sich seiner Kleidung hinter einem Paravent und tauchte in dem Nachthemd wieder auf. Er stellte das Nachtlicht auf den Tisch und nahm die andere Seite des Bettes ein. Sein linker Arm schob sich unter ihre Schultern.
»Dann komm auch in meine Arme, Anna. Ich verspreche dir, keusch und sittsam zu bleiben.«
»Dir bleibt bei diesem Leinenungetüm auch nichts anderes übrig. Ich frage mich, ob der alte Valerius Corvus wohl genauso in seiner Toga zu Annik ins Bett gegangen ist.«
»Lachst du etwa, du schamloses Weib?«
»Ich würde nie wagen, über jemanden zu lachen, der so würdige Kleidungsstücke trägt, Monsieur.«
»Das beruhigt mich zu hören. Es wäre schließlich undenkbar, ein so leichtes Hemd zu tragen, wie es gewisse Gouvernanten in meinem Haus vorziehen. Ich erfröre doch sonst!«
Ihre Finger hatten die Bänder gefunden, mit denen das Gewand am Hals geschlossen war, und begannen sie aufzunesteln. Dann tastete sie sacht mit den Fingerspitzen in das Gelock, das sich über seine Brust zog. Er fing ihre Hand ab, bevor sie eine Brustwarze erreichte.
»Anna, wenn du das weiter betreibst, dann wird dein Wunsch nicht zu erfüllen sein.«
»Nein?« Sie befreite sich aus dem nicht besonders festen Griff und nahm ihre Erkundungen wieder auf. »Nie?«
»Nun... vielleicht erst später.«
Er fing ihre Hand erneut ab, die sich dem Halstuch, das er sogar im Bett anbehalten hatte, näherte und an dem Knoten zupfte.
»Nicht.«
»Nicht? Gut!«
Sie rückte näher zu ihm und fuhr mit der Hand in den Ausschnitt des Nachthemdes. In dem schwachen Licht, das die Kerze spendete, hob sich seine Haut, dunkel von der Sonnenbräune des Sommers, von dem weißen Stoff ab. Sie strich über seine Schultern, die sich kräftig und straff anfühlten. Sein Maßhalten im Essen und häufige körperliche Betätigungen hatten Valerian Raabe einen ansehnlichen Körper erhalten. Sie fuhr mit den Fingernägeln ein Stück über die Rippen bis zur Achsel entlang, er stöhnte unwillkürlich leise auf und griff nach ihrer Hand.
»Wenn ich die Gewissheit hätte, in meinem Bett ein wenig mitmenschliche Wärme vorzufinden, dann könnte ich auf dieses würdige Kleidungsstück eventuell verzichten.«
»Ausgeschlossen ist das nicht – das mit der Wärme.«
Er richtete sich auf und zog das geschmähte Hemd aus. Marie-Anna seufzte leise auf.
»Zu entsetzlich?«
»Nein, eigentlich... Aber das Halstuch, Valerian. Nein, das geht nicht. Weder mit Krawatte noch mit Socken.«
»Ich trage keine Socken.«
Sie kicherte
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