Der Lilienring
diese Annik.«
»Und Valerius trug mehr Narben als du.«
»Ja, es hat uns beide tief bewegt, dieses alte Römergrab.«
»Dieses Haus hier, Valerian, könnte es sein, dass dieses Haus, genau wie das Gut, auf den Fundamenten eines römischen Gebäudes steht?«
»Selbstverständlich, Marie-Anna. Nur wenige Schritte von hier entfernt stand der Jupitertempel, das Kapitol, heute Sankt Maria im Kapitol. Das hier wird sogar eine bevorzugte Wohngegend gewesen sein.«
»Für die Wohnung eines Stadtrates.«
»Möglicherweise.«
Sie seufzte zufrieden auf und schmiegte sich an ihn.
Eine Weile dösten sie in ihre Gedanken versunken vor sich hin, bis zwölf Schläge der Kirchturmuhr die Mitte der Nacht ankündigten.
»Ich müsste irgendwie in mein Zimmer kommen, Valerian. Kannst du mir behilflich sein? Ich weiß nicht, wer noch draußen auf dem Gang herumschleicht.«
»Niemand schleicht auf dem Gang um Mitternacht herum. Warum willst du in dein kaltes Zimmer?«
»Das Schwämmchen...«
»Hinter dem Paravent dort findest du mein Privé.«
Marie-Anna schob die Decken beiseite und nahm das Nachtlicht aus seiner Hand entgegen. Als sie zurückkam, fröstelte sie leicht.
»Komm wieder unter die Decke.«
»Soll ich wirklich die Nacht über bei dir bleiben?«
»Du wolltest doch in meinen Armen schlafen, Liebste.«
»Ja, schon. Aber...«
»Ich möchte das ebenfalls.«
»Aber …«
Sie kuschelte sich an ihn.
»Es schleicht niemand auf dem Gang herum und belauscht uns.«
»Da wäre ich nicht so sicher.«
»Weil Berlinde abends noch bei Graciella hineinschaut?«
Marie-Anna nickte an seiner Schulter.
»Was ist vorgefallen, Marie-Anna? Willst du es mir jetzt nicht sagen? Es muss offensichtlich etwas Gravierendes gewesen sein, da du so vehement für meine Tochter in die Schlacht gezogen bist.«
»War es auch. Aber ich habe ihr versprochen, darüber kein Wort zu verlieren, sondern ihr nur zu helfen.«
»Das hast du getan. Aber mir wäre es sehr lieb, wenn ich wüsste, ob damit das Problem auch behoben ist.«
Marie-Annas Hand stahl sich wieder über Valerians Brust und spielte mit den Locken.
»Es heißt, du würdest die Bedürfnisse der Frauen gut kennen«, gurrte sie dabei leise.
»Sagt man das?«
»Ja, und ich finde diese Ondits durchaus bestätigt.«
»Marie-Anna, du lenkst von meiner Frage ab. Wenn auch sehr geschickt und mit Schmeicheleien.«
»Valerian, hast du viele Maitressen gehabt?«
»Du hast dich doch schon umgehört, wie mir scheint.«
»Ein wenig.«
»Und bist entsetzt?«
»Aber nein. Ich denke, mit Madame...«
»Richtig, mit Ursula führe ich keine Ehe im körperlichen Sinn. Aber du lenkst von meiner Frage ab. Was ist mit Graciella?«
»Ein Mann hat Bedürfnisse, nicht wahr? Darum erfreuen sich verschiedentlich bereitwillige Damen deiner Aufmerksamkeit.«
Er lachte leise und hielt ihre Hand fest, die sich in den dunklen Tiefen unter dem Plumeau zu schaffen machte.
»Du verhörst mich sehr geschickt. Ich habe, seit ich verheiratet bin, drei Geliebte gehabt, wenn du es genau wissen willst. Affären, die ein, zwei Jahre dauerten. Aber …«
»Was tust du eigentlich, wenn du keine nette kleine Mimmi oder Elvira oder Sara zur Hand hast?«
»Du kennst sogar die Namen?«
»Frizzi. Also, was...?«
»Marie-Anna, das geht zu weit.«
»Valerian?«
»Wirst du wohl deine Finger im Zaum halten?«
»Willst du mir nicht antworten?«
»Himmel, Marie-Anna, was tut ein Mann wohl, wenn er zu lange alleine ist? Du bist doch so unwissend nicht.«
»Nein!« Sie kicherte leise, wurde dann aber ernst und fragte: »Hat dir nie jemand eingeredet, das sei eine gefährliche Krankheit, die das Gehirn erweicht, wovon man Pusteln und Pickel bekommt und die zu Ohnmachten und hysterischen Krämpfen führt?«
»Sag mal... Marie-Anna?« Er drehte sich zu ihr herum und betrachtete im flackernden Lichtschein der Kerze ihr Gesicht. »Ich habe das Gefühl, ich sollte dir wohl etwas genauer zuhören, was?«
»Und nie hat jemand dafür gesorgt, dass deine Hände an die Bettpfosten gefesselt werden müssen, damit du dich nicht selbst befleckst.«
»Hat Berlinde das getan? Graciella ans Bett gefesselt?«
Marie-Anna legte schweigend ihren Kopf an seine Schulter und schnaufte zufrieden.
»Du hast dein Versprechen meiner Tochter gegenüber gehalten, meine loyale Liebste.«
»Sie ist, wie jedes Mädchen in diesem Alter, neugierig. Aber natürlich furchtbar verschämt.«
»Sprich mit ihr, Marie-Anna. Es ist besser, sie
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