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Der Lilienring

Titel: Der Lilienring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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tun.
    »Vorsicht mit den alten Zeitungsausschnitten!«
    »Gott, kannst du streng sein.«
    Wir arbeiteten jedoch einträchtig weiter, und eine Stunde später hatte ich die Dokumente säuberlich kopiert in einem Stapel modernen Papiers vor mir liegen.
    »Als Belohnung, Herzchen, dass ich dir so hilfreich zur Hand gegangen bin, solltest du mir jetzt endlich meinen größten Wunsch erfüllen.«
    »Schmeichler. Ich dachte, das sei schon geschehen?«
    »Das war mein allergrößter.«
    Seine Frechheit war bestechend.
    »Was ist dein größter Wunsch?«
    Er sah mich plötzlich ernst und ein wenig bittend an.
    »Ich möchte Aufnahmen von dir machen, Anita. Das weißt du doch. Dein Gesicht... Es fordert mich heraus. Ich möchte dir zeigen, wie schön du bist.«
    Ich merkte, wie mein Lächeln ein wenig traurig geriet. Er schaffte es immer wieder, Gedanken und Gefühle in mir zu wecken, die ich lieber vermieden hätte.
    »Na gut, Marc. Bis ein Uhr, dann muss ich aber nach Hause.«
    »Komm mit, das Atelier ist im Keller.«
    Es war ein altes Gewölbe, leer bis auf die Scheinwerfer, Reflektoren und eine Reihe beweglicher Hintergründe.
Marc zog einen dunkelroten Stoff über ein Podest und den Boden darum, schob eine der Wände dahinter und machte sich an den Beleuchtungselementen zu schaffen. Er schaltete die Musikanlage ein und ließ eine der neueren Soft-Pop-Aufnahmen laufen. Schließlich bat er mich, auf dem Podest Platz zu nehmen und wischte sachte mit mattierendem Puder über mein Gesicht.
    »Jetzt beginnt deine Arbeit, Herzchen«, befahl er und verschwand hinter der Kamera.
    Ich folgte also seinen Anweisungen, lächelte oder schaute ernst, drehte ihm mein Ohr zu oder schaute in die Ferne, aber nach einer halben Stunde hörte er auf, Anweisungen zu geben.
    »Süße, ich weiß nicht. Ich bekomme nicht die wahre Anita aus dir heraus. Was ist los?«
    »Marc, ich bin nicht in der Stimmung dazu. Oder ich bin nicht so fotogen, wie du gehofft hast.«
    »Du bist so fotogen, wie ich von Anfang an meinte. Aber ich möchte etwas Leben in deinem Gesicht sehen.«
    »Ich kann nicht auf Befehl heiter sein oder glaubwürdig lachen.«
    »Musst du ja gar nicht.« Er betrachtete mich nachdenklich. Seine Stimme war ungewöhnlich weich und verständnisvoll, als er sagte: »Ich weiß schon, es war nicht die Offenbarung heute Nacht, nicht wahr?«
    Ich drehte mich mit einem Ausdruck echten Erstaunens zu ihm herum.
    Klick.
    »Es scheint, ›wahre Bekenntnisse‹ entlocken dir doch noch Gefühle«, meinte er dann mit einem schiefen Grinsen.
    Ich musste lachen.
    Klick.

    »So, Liebste, jetzt zieh endlich dieses grässliche Sweatshirt aus, damit ich ein bisschen mehr Haut auf die Bilder bekomme. Keine Sorge, ich arbeite.«
    Ich lachte noch einmal.
    Klick.
    Und zog das graue Sweatshirt aus. Auf einen BH hatte ich verzichtet.
    »Genug Haut?«
    »Nie genug, aber für den Anfang reicht es. Löst du die Haare für mich?«
    »Nein.«
    Er kam hinter der Kamera hervor und betrachtete mich prüfend von oben herab.
    »Leg den Zopf nach vorne.«
    »Gerne.«
    »Nein, geht so nicht. Wie kann ich dich überreden, mit offenen Haaren zu posen? Wie, Anita?«
    Mir schoss plötzlich ein Gedanke durch den Kopf. Einer, den ich die ganze Zeit versucht hatte, zu unterdrücken. Er musste sich wohl in meiner Miene widergespiegelt haben.
    »Wow!«, stieß Marc aus und sprang zur Kamera.
    »Ich löse die Haare, wenn du mir ein Versprechen gibst, Marc.«
    »Jedes, das ich zu erfüllen in der Lage bin.«
    »Abzüge der Fotos mit den offenen Haaren schickst du an Valerius.«
    »Die zu erfüllen ich in der Lage bin, sagte ich, Anita.«
    »Dann schließen wir jetzt die Session.«
    Ich griff nach meinem Sweatshirt.
    »Nein! Nicht!«
    »Marc!«
    »Ich verspreche es! Ehrlich. Aber…« Er fuhr sich durch die blonden Locken. »Möglicherweise gar keine so schlechte Idee, die du da hast.«

    Ich konnte seinen Gedanken mühelos folgen. Marc würde seinen Namen groß auf die Rückseite eines jeden Fotos drucken. Um Valerius zu zeigen, dass er gewonnen hatte. Nun ja. Vielleicht. Ich flocht den Zopf auf und ließ mir eine Bürste geben, um die Haare zu entwirren. Sie fielen schwarz, glänzend und leicht gewellt über meinen Rücken. Ich tat Marc sogar unaufgefordert den Gefallen, die Jeans auszuziehen.
    »Phantastisch, Schätzchen. Und jetzt so...«
    Er gab Anweisungen, ich folgte ihnen einige Male. Doch dann verlor ich das Interesse daran, die von ihm gewünschten Posen einzunehmen. Wenn er

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