Der Lilith Code - Thriller
warf seine Hände vor das Gesicht, als die Schüsse fielen.
Eine Militärpatrouille vom nahen Checkpoint übernahm das Geschehen. Der Konvoi fuhr weiter. Bis zum See stritten sie, ob diese Aktion notwendig gewesen oder der Grund eher in einer kollektiven Paranoia der Israelis zu suchen war.
Elijah schnitt Jan schließlich das Wort ab. »Du weißt nicht, wovon du redest. Du bist nicht mit Hass und Angst gegen dich aufgewachsen.«
Jan zog es vor, nicht weiter zu insistieren. Er spürte aber auch, dass Lea und selbst Elijah Zweifel bekommen hatten.
Hier, oberhalb des Sees, schien das Land seine ganze Schönheit ausbreiten zu wollen. Es war grün, angenehm kühl, und die Aussicht war grandios. Der ehemalige Kibbuz war eher eine rustikale Ferienanlage, besaß einen Pony- und Pferdehof für Kinder und eine große Kantine, mit zwei separaten Küchen, damit koscher gekocht werden konnte. Die Milch des Frühstücks durfte nicht mit dem Fleisch des Abendessens in Berührung kommen. Somit hatte man einfach eine zweite Küche bauen lassen, um die Rabbiner, die über die Gebote wachten, zufriedenzustellen. An einem langen Tisch kamen abends die zahlreichen Mitglieder der Familie Rothblum zusammen, aßen und diskutierten laut.
Langsam wirkte auch auf Jan die friedliche Szenerie. Vor zehn Tagen war er fünfzig Kilometer nordöstlich von hier in Damaskus gelandet, nicht ahnend, in welches Abenteuer diese Reise ihn führen würde. Seine Welt war definitiv ausden Fugen geraten. Zum ersten Mal an diesem Tag dachte er an seinen Sohn und schämte sich sogleich dafür. Aber war es nicht vielleicht auch ein gutes Zeichen? Dann wehten seine Gedanken zu Regina. Er hatte kaum Zeit gehabt, über seine Beziehung zu ihr nachzudenken. Unter normalen Umständen wäre er nie mit einer Frau wie ihr zusammengekommen. Zu sehr unterschieden sich ihre Welten. »Dieser Blick lässt einen nicht los, nicht wahr?« Ein alter Mann trat hinter ihn und sprach ihn auf Englisch an.
»Ja, es ist wunderschön.«
»Wo kommen Sie her?«
Jan schaute den Mann freundlich an. Dessen Gesicht wirkte blass, er atmete schwer. »Ich bin aus Deutschland. Verzeihung, ist Ihnen nicht gut?«
Die Augen des Mannes verengten sich. Wortlos drehte er sich auf dem Absatz um und verschwand zum Haupthaus. Nicht einmal Lea grüßte er, die vom Haus herunter zu Jan kam, um ihn zum Essen zu holen.
Jan schaute sie hilflos an. »Wer ist das?«
Lea lächelte entschuldigend. »Das ist mein Vater. Mach dir nichts daraus. Er hat Auschwitz überlebt.«
Lea platzierte Jan zwischen ihre jüngere Schwester Dina und deren Mann Anatol, einen russischen Einwanderer. Der arbeitete auf dem Pferdehof und wirkte etwas wortkarg. Sie wollte mit Elijah und Jan nach dem Essen in einem Kaminzimmer weiterreden.
Nach anfänglicher Scheu wurde er von Dina in Beschlag genommen und in die Geheimnisse der koscheren Küche eingewiesen und von seinem rechten Tischnachbarn in die Kunst der Besamung.
»Als Mediziner dürfte Ihnen Besamung ja nicht fremd sein«, konstatierte Anatol in einem harten Englisch.
Jan verstand nicht ganz. »Als Mediziner besamt man nicht mehr oder weniger als andere Menschen auch.«
Der Russe sah ihn mit großen Augen an und lachte dannschallend. Quer über den Tisch erzählte er es dem Besitzer des Guts auf Hebräisch, so dass alle Gäste Jans Antwort erfuhren. Alle lachten, bis auf den Alten am Kopfende, der wie versteinert dort saß und Jans Blicken auswich.
Köstliches Rindfleisch wurde serviert, und der Wein von den Golanhöhen war halbwegs trinkbar. Lea bat die Gäste, sich jeweils vorzustellen. Jan war fasziniert. Selten hatte er in einer Runde so viele völlig unterschiedliche Menschen erlebt. Zwei Plätze weiter saß ein sehr alter Mann, schlank und mit einem spitzen Gesicht. Zwischen den Gängen war er aufgestanden und hatte mit einer herrischen Geste die Schwester der Gastgeberin weggescheucht. In einem merkwürdigen Akzent sprach er Jan an. »Darf ich mich vorstellen?« Der Mann verbeugte sich. »Mein Name ist Paul Bäumer. Woher aus Deutschland kommen Sie, mein Junge?« Jan rückte mit seinem Stuhl nach hinten, stand auf und machte ebenfalls eine Verbeugung.
Elijah schmunzelte und schüttelte den Kopf. Deutsche!
»Ich wohne in München, stamme aber aus Osnabrück in Niedersachsen, das wird Ihnen vermutlich wenig sagen.«
Der alte Mann schloss die Augen. »Doch, sehr viel. Ich bin dort geboren und aufgewachsen. Das ist wirklich ein Zufall, oder«, er
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