Der Lilith Code - Thriller
ältere Frau sich näherte. Er hörte sie mit dem Portier flüstern. Misstrauisch blickte er sich um. Der Portier kam eilig um den Schreibtisch und breitete seine Arme aus. Jan sah ihn verdutzt an.
»Sie sind der Deutsche aus dem Hospital? Meine Frau hat Sie erkannt. Unsere Tochter haben Sie operiert, sie war im Souk, als die Bombe explodierte«, erklärte er in gebrochenem Englisch und begann zu weinen. Dann, ehe Jan sich versah, umarmte ihn dieser kleine Syrer mit seinem nach Mottenkugeln riechenden Anzug und klopfte ihm auf die Schulter. Danach ließ es sich auch die Mutter nicht nehmen, ihm ihren Dank auszusprechen.
»Sie sind natürlich unser Gast«, rief sie aus.
Jan konnte sich mühsam an die Tochter dieser Leute erinnern, nachdem die Mutter die Verletzungen geschildert hatte. Das Mädchen hatte wahnsinniges Glück gehabt. Die Detonation hatte sie hinter Säcken mit Seifenstücken geworfen, die wiederum den größten Teil der Nägel und Schrauben abhielt, welche die Bombe gestreut hatte. Dennoch hatte er allein an den Beinen ein Dutzend Metallstücke herausoperieren müssen.
Regina hatte die ganze Zeit wortlos neben ihm gestanden.
Dann endlich konnte Jan den Dank der beiden Syrer abwehren, und er schritt mit Regina in die erste Etage des Hauses hinauf. Ohne sich zu verabschieden, schloss er sein Zimmer auf und fiel sofort auf das Bett, um zu schlafen.
Ayn Darah, 15. 06., 5.12 Uhr
Dann erschien ein großes Zeichen am Himmel: eine Frau, mit der Sonne bekleidet; der Mond war unter ihren Füßen und ein Kranz von zwölf Sternen auf ihrem Haupt. Sie war schwanger und schrie vor Schmerz in ihren Geburtswehen. Und ein anderes Zeichen erschien am Himmel: ein Drache, groß und feuerrot, mit sieben Köpfen und zehn Hörnern und mit sieben Diademen auf seinen Köpfen.
Neues Testament, Offenbarung des Johannes, Kapitel 12, 1–3
Ölbäume und weite, grüne Felder, die an Hängen lagen, erinnern mehr an die Toskana als an Nordsyrien. Einen Steinwurf von der türkischen Grenze entfernt liegt das kleine Dorf Ayn Darah. Es wäre nicht vielmehr als eine verschlafene Siedlung ehemaliger Nomaden geblieben, hätten nicht1954 Hirten hier eine archäologische Sensation entdeckt. Auf einem Hügel fanden sie die Reste einer Tempelanlage. Forscher vermuteten hier wegen der vielen Sphinx- und Löwenköpfe ein Heiligtum der Liebesgöttin Mesopotamiens, Ischtar.
Die Sonne begann im Osten aufzugehen, als ein junger Mann in der schwarzen Uniform der syrischen Sonderkommandos das Knirschen des Gerölls vernahm. Er blickte kurz hinter seinem Stein hervor, der ihn vor dem Wind aus dem Westen schützte, und verhielt sich wieder ruhig, bis der Schatten des Besuchers vor ihm auftauchte.
»Recht frisch hier«, erklärte eine Stimme.
Der Soldat blickte auf. Trotz Dämmerung trug der Alte wieder seine Ray Ban und die Tracht eines Nomaden, einen langen Kaftan, darüber eine khakifarbene Weste, auf dem Kopf das schwarzweiße Tuch, die Kafiya, und an den Füßen ausgetretene Sandalen. Er konnte unter der Weste des Mannes den Halfter erkennen. Und er wusste auch, dass es sich um eine Glock handelte.
»Elijah, mein Sohn, es ist eine Freude, dich heil zu sehen in diesen unheiligen Zeiten.« Der Alte kniete sich neben den jungen Mann. »Ich begrüße dich, Abdul.«
Der Alte zündete sich eine Zigarette an, hielt sie aber sofort in seiner Handinnenfläche, so dass keiner die Glut sehen konnte. Beide Männer hockten auf ihren Fersen und schauten der aufgehenden Sonne zu.
»Was geht da vor?«, wollte der Alte wissen. »Was will der junge Mann? Wir haben von unserem Informanten im Palast seit zwei Tagen nichts mehr gehört.«
Der Soldat zog mit einem Stock kleine Kreise in den Staub vor ihm. »Der junge Mann trifft sich mit den anderen jungen Männern. Und das bestimmt nicht zum Golfspielen oder Beten. Euer Informant liegt halbtot in einem Krankenhaus. Etwas braut sich zusammen. Der Druck steigt jeden Tag.«
Der Alte zog tief an seiner Zigarette, das Rotgelb derGlut leuchtete in seiner Hand, er blies den Rauch auf den Boden zu den Kreisen. »Brauchst du Verstärkung? Willst du raus?«
»Nein, ich muss nur vorsichtiger werden. Jemand funkt uns dazwischen. Faruk ist außer Gefecht.«
»Ja, das wissen wir. Ist das gut oder schlecht?«
»Weiß ich noch nicht. Er ist ihr bester Mann, aber er ist auch nicht unser Feind. Sie haben die Aufzeichnungen und noch etwas, das von Bedeutung sein kann. Fundstücke aus der Gegend. Der Junge hatte sie
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