Der Linkshänder – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)
Aber ich wollte irgend etwas machen. Wollte mich bewegen. Aus irgendeinem Grunde war ich plötzlich ein wenig nervös wegen dem, was passieren könnte, wenn ich aufhörte …
»Sagen Sie etwas«, sagte ich und setzte die Kopfhörer auf. Ein Ohr ließ ich frei. »Das läuft mit seiner Batterie, sehen Sie nach, wo die Wanze ist.«
»Was ist passiert?« fragte sie.
»Er ist oben in der Nähe von Traverse City. Auf eurem Grundstück.«
»Da gibt es doch überhaupt nichts.«
»Er hat ein Freizeitmobil. Wenn man so will, macht er dort Camping.«
Auf einem kleinen Tisch im Flur stand ein Becher mit Stiften. Ich begann ihn zu durchsuchen. »Kommt Ihnen irgendeiner von diesen Stiften unbekannt vor? Oder ist das alles der Kram vom Chief? In diesem Falle können Sie ja nicht wissen, ob etwas nicht stimmt, oder?«
»Wie sah er aus?« fragte sie.
»Ich weiß nicht. Ich meine, es gibt nichts, womit ich ihn vergleichen könnte. Außer, nun ja, wissen Sie, er sitzt im Rollstuhl.«
»Ja.«
»Seit wann sitzt er darin?«
»Schon immer – seit Leopold ihn die Treppe hinuntergeworfen hat.«
Ich hielt im Durchsuchen der Stifte inne. »Leopold hat eine Schwäche für Treppen, was?«
Sie kam näher.
»Er war nicht das, was ich erwartet hatte. Dabei bin ich schon Killern begegnet, das können Sie mir glauben.«
»Aber irgendwann hat er doch versucht Sie umzubringen. Das haben Sie doch selbst gesagt.«
»Da haben Sie allerdings recht.«
»Wo ist er jetzt?« fragte sie. »Ist er auf dem Weg nach hier? Er weiß, wo er mich finden wird.«
»Ich weiß nicht, ob er das will. Machen Sie sich keine Sorgen, ich gehe nirgendwo hin. Und morgen schaffen wir Sie hier weg.«
»Würden Sie die Stelle wiederfinden? Ich meine, wo er jetzt ist?«
»Ich bin sicher, daß er das Reisemobil von dort fortgeschafft hat. Ich habe nicht daran gedacht, mir die Autonummer zu notieren.«
Sie schloß die Augen. »Das hört nie auf.«
»Warten Sie. Ich habe Whitleys Handy.«
»Und wozu soll das gut sein?«
Ich holte das Telefon aus der Tasche und schaltete es ein. »Es muß einen Anrufspeicher haben.« Ich drehte an dem Rad auf der Seite. Eine Nummer erschien. Die Marias. »Jetzt mal halt«, sagte ich. »Das war ich. Vorhin, als ich Sie von seinem Wagen aus angerufen habe.« Ich drehte wieder an dem Rädchen. Eine weitere Nummer erschien. Auch die erkannte ich. »Das ist seine Büronummer. Die wird er angerufen haben, um die Nachrichten für sich abzufragen.«
Eine weitere Drehung. Wieder eine Nummer, mit der Regionalvorwahl 313. Detroit. »Die könnte es sein«, sagte ich. »Da wäre eine Möglichkeit, das rauszukriegen.«
Ich drückte den Sendeknopf. Das Signal begab sich in die Luft, zu einem Turm irgendwo, Kilometer entfernt. Dann runter in die regulären Kabel nach Detroit, wo der Handy-Service es übernahm und auf diversen Kanälen weiterschickte zu einem anderen Turm, der dann nach dem korrespondierenden Signal eines ganz bestimmten Handys Ausschau hielt. Irgendwo im Norden von uns, in einem Reisemobil mitten im Wald oder schon unterwegs auf der Straße, klingelte jetzt fünfmal das Telefon. Dann hob jemand ab.
Schweigen. Endlich: »Wer ist da?«
»Das ist er«, sagte ich.
Marias Gesicht wurde weiß, so als hätte ich den Mann persönlich in ihre Küche geholt.
»Wer ist da?« wiederholte die Stimme.
»Ich wollte nur gute Nacht sagen«, sagte ich. »Wissen Sie, es gehört sich einfach nicht, einen Mann in einem Rollstuhl zu Kleinholz zu schlagen. Das ist irgendwie nicht fair, wissen Sie? Aber beim nächsten Mal werde ich mich überwinden.«
Er hängte ein.
»Besser, wir verschwinden jetzt schon«, sagte ich. »Wir warten gar nicht erst bis morgen.«
»Nein. Ich habe Ihnen doch gesagt, ich laufe nicht mehr davor weg.«
Mir war nicht nach einer Auseinandersetzung in dieser Frage. »Ich tropfe Rudigers Teppich voll«, sagte ich und band mir den Eislappen fester ums Gelenk.
»Was haben Sie mit Ihrer Hand gemacht?«
»Es ist nur eine Prellung.«
»Von wegen. Lassen Sie es mich sehen.«
Ich legte das Tuch mit dem Eis auf den Tisch und zeigte ihr meine Hand. »Das muß ganz schön weh tun«, meinte sie.
»Ein bißchen.«
Sie nahm meine andere Hand und betrachtete sie. Dann wieder meine rechte.
»Ihre Mutter hat das auch gemacht.«
»Sie hat versucht, es mir beizubringen«, sagte sie. Sie war sehr nahe an mich herangekommen. Ein delikater Duft nach etwas lag in ihrem Haar, etwas Exotischem und Uraltem und Zigeunerhaftem. Jetzt
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