Der Linkshänder – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)
zusammengewesen«, sagte er. »Die ganze Zeit über, wo sie mit Zambelli verheiratet war. Ich weiß es.«
»Sie müssen mich auf den Arm nehmen.«
»Sie hatten die ganze Zeit über diese völlig perverse Affäre«, sagte er. »Ich sehe es jetzt förmlich. Ich sehe diese ganze …«
»Um Gottes willen!«
»Diese ganze perverse Affäre«, sagte er.
Er griff nach seinem Drink. Er stellte ihn wieder hin, nahm mit einer Hand das Gewehr. Mit der anderen fummelte er in der Tasche seines Hemds herum und zog schließlich ein in der Mitte gefaltetes Stück Papier heraus. »Wollen Sie wissen, was ich heute nachmittag ernsthaft vorhatte? Hier, lesen Sie das.«
Ich nahm es ihm ab und schlug es auf. Es war ein amtlicher Briefbogen von Orcus Beach, mit dem kleinen Kanonenlogo zuoberst. Darauf stand: »Für Maria und alles, was ich so gern geglaubt hätte.« Das war alles.
Als ich aufsah, hatte er sich den Lauf der Schrotflinte in den Mund gesteckt. Ich hechtete über den Tisch und schlug das Gewehr beiseite. Er packte es wieder. Einen gräßlichen Moment lang war es direkt auf mein Gesicht gerichtet. Wieder schlug ich es beiseite und kippte zugleich den Tisch in seinen Schoß. Er fiel mit dem Stuhl nach hinten, während der Tisch, ich und die Schrotflinte in die verschiedensten Richtungen flogen. Irgendwie landete das Gewehr, ohne loszugehen und einen von uns zu atomisieren. Er lag hilflos auf dem Rücken, und seine Knie hingen noch auf der Stuhlkante. Ich kroch zu ihm und sah ihm ins Gesicht.
»War das denn nötig, McKnight? Ich wollte doch nur ausprobieren, ob ich überhaupt an den Abzug komme. Nur für den Fall, daß ich mal die Courage aufbringen würde.«
»Warum tun Sie mir das an, Chief? Warum haben Sie mich hierher mitgenommen?«
»Sind Sie katholisch?«
»Nein, ich bin nicht katholisch.«
»Dann sind Sie auch nie zur Beichte gegangen?«
»Nein.«
»Vater, vergib mir, denn ich habe gesündigt«, sagte er. »Meine letzte Beichte war vor fünfundvierzig Jahren.«
»Ich gehe. Sie müssen dringend Ihren Rausch ausschlafen.«
»Ich habe gedacht, daß Sie mich vielleicht verstehen, McKnight. Ich habe gedacht, Sie sind der einzige Mensch auf der Welt, der ich das erzählen kann. Ich meine dem. Dem ich das erzählen kann. Und zwar alles.«
Ich stand wieder auf und stellte auch den Tisch wieder richtig hin. Ich wollte das Gewehr schon in seiner Ecke liegen lassen, überlegte es mir dann aber anders. Ich klappte es auf und steckte die Patronen in meine Tasche. Dann legte ich das Gewehr aufgeklappt auf den Tisch. Daneben legte ich seine Autoschlüssel. Den Abschiedsbrief legte ich ebenfalls neben das Gewehr.
»McKnight«, sagte er. Er lag immer noch auf dem Rücken. Die Augen hielt er geschlossen.
»Gute Nacht, Chief.«
»Geben Sie mir das Telefon.«
»Gute Nacht.«
»Ich will sie anrufen«, sagte er. »Geben Sie mir das Telefon. Ich will Maria anrufen.«
»Rufen Sie sie nicht an. Gehen Sie lieber ins Bett.«
»Ich hol es mir selber«, sagte er, ohne sich zu rühren. »Ich werde sie anrufen. Ich werde sie wecken und ihr sagen, daß ich alles weiß. Sie ist nicht meine Tochter.«
»Gute Nacht, Chief.«
»Gehen Sie nicht. Sie können jetzt nicht gehen. Sie müssen mein Zeuge sein. Ich will, daß das einer mithört.«
»Gute Nacht, Chief.«
»Sie können nicht gehen«, wiederholte er. »Sie stehen unter Arrest. Ich befehle Ihnen, hierzubleiben und mein Zeuge zu sein.«
»Gute Nacht, Chief«, sagte ich. Und dann ging ich. Ich ging in die kalte Nachtluft hinaus, vorbei am Streifenwagen und dem schiefen Pfahl mit dem Briefkasten drauf. Ich ging zur Hauptstraße zurück und dann den ganzen Weg bis zu Rocky’s Kneipe. Sie schien immer noch auf zu sein, obschon es bereits nach drei Uhr morgens war.
Das war es, was man wohl in Orcus Beach so machte. Man saß rum und trank und dachte über all die Fehler nach, die man jemals begangen hatte.
Ich ließ den Wagen an und machte mich davon. An der Stadtgrenze sah ich im Rückspiegel das Schild WILLKOMMEN IN ORCUS BEACH, in Spiegelschrift, und darunter die Kanone im Sand.
Ich kurbelte mein Fenster herunter und warf die beiden Schrotpatronen nach draußen. Und dann fuhr ich nur noch weiter.
Kapitel 22
Ein Geräusch weckte mich. Ein Vogel zwitscherte mich an und verstummte dann plötzlich. Dann zwitscherte er wieder. Nein, es war ein Telefon. Ich hob den Kopf. Ich hatte noch alle Kleider an und lag auf dem Motelbett in Whitehall. Ich hatte das Bett nicht einmal
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