Der Linkshänder – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)
habe sie sich in ihre eigene Welt verloren. Du weißt, welches Bild ich meine?«
»Ich glaube, ich habe es mal gesehen.«
»Also, worum es mir bei dem Bild geht, ist, man sieht und fühlt sofort, wie müde die Frau ist, weißt du? Wie einsam sie ist. Ich meine, verdammt noch mal, wenn sie damals schon Kameras gehabt hätten, und er hätte sie einfach fotografiert, dann hättest du nicht dasselbe gespürt. Es lag einfach an der Art, wie er es gemalt hat. Tut mir leid, es soll nicht so klingen, als wäre ich Kunstkritiker oder so was.«
»Ist schon in Ordnung«, sagte ich. »Ich weiß, was du sagen willst.«
»Okay, Maria hat mir also diese Zeichnung gezeigt, die sie von mir gemacht hat, wie ich da auf dem Bett sitze. Und wie ich sie gesehen habe, war ich einfach … mein Gott, es verschlug mir die Sprache. So wie sie mich gezeichnet hat, konnte man spüren , wieviel Angst ich hatte. Man sah meine absolute Panik, was am nächsten Tag passieren würde. Ich konnte es kaum glauben.«
Lange Zeit schwieg er. Vielleicht versuchte er sich die Zeichnung wieder ins Gedächtnis zu rufen. Ich sagte ebenfalls nichts.
»Es lag nicht nur daran, daß sie eine gute Künstlerin war«, sagte er schließlich. »Sie konnte das Bild so zeichnen, weil sie mich kannte . Du weißt, was ich sagen will, Alex? In diesem Moment hat sie mich besser gekannt als ich mich selber. Ich wußte gar nicht mal, daß ich solche Panik hatte, bis ich die Zeichnung gesehen habe. Wie oft im Leben kennt einen jemand so gut? Willst du wissen, wie oft mir das passiert ist?«
»Wie oft?« sagte ich.
»Zweimal. Da warst du. Und dann war da Maria. Nicht meine Frau. Nicht die Frau, neben der ich elf Jahre lang jede Nacht geschlafen habe. Und bei Gott nicht meine Eltern. Nicht mal meine Kinder. Das warst du und das war Maria. Ihr wart die beiden einzigen Menschen auf dieser Welt, die direkt durch mich durchgucken konnten. All die Witzchen und die Mätzchen und der ganze Scheiß. Ich weiß, daß wir nur eine Saison zusammen gespielt haben, aber wenn ich pitchte und du gecatcht hast, hatte ich das Gefühl, daß du alles gewußt hast, was in meinem Kopf vor sich ging. Alles. Sogar Sachen, die mir nicht bewußt waren. Du hast besser gewußt als ich selber, was ich werfen konnte. Das war der Grund, warum ich auch bei einem anderen Catcher nie mehr derselbe Pitcher gewesen bin. Ich bin den ganzen weiten Weg hierher gekommen und hab dich nach all den Jahren wiedergefunden, und es war, als wenn ich dich gestern zuletzt gesehen hätte. Oder?«
»Das kann ich nicht beurteilen«, sagte ich. »Vielleicht.«
»Und Maria«, sagte er. »Ich schwöre bei Gott, Alex, sie hat mich so gut gekannt wie du. Da spielte es keine Rolle, daß wir nur anderthalb Wochen zusammen gewesen sind. Und es spielt keine Rolle, wie lange das her sein mag. Teufel noch mal, es spielt nicht mal eine Rolle, daß ich nicht mal ihren wirklichen Namen gekannt habe.«
Wieder Schweigen, und wieder rumpelte ein schwerer Lastzug durch die Nacht.
»Sei mir nicht böse, Alex«, sagte er. »Ihr habt mich beide gut gekannt, aber letztlich gebührt ihr die Palme des Abends.«
Ich lachte. Was sollte ich auch sonst tun?
»Glaubst du, daß wir sie finden?« fragte er.
»Ich weiß es nicht. Im Moment würde ich noch nicht darauf wetten.«
»Meinst du denn, wir sollen die Suche nach ihr aufgeben?«
»Frag mich das nicht. Außer, du willst die Wahrheit von mir hören.«
»Sag sie mir.«
»Randy, ich sage dir die ganze Zeit schon, daß das verrückt ist. Ich weiß, du willst das nicht hören. Und ich weiß auch, daß du alleine hierher gekommen wärst, wenn ich zu Hause geblieben wäre. Also hab ich mir gedacht, daß ich nichts zu verlieren habe. Ein paar Tage mit einem alten Mannschaftskameraden rumhängen und einfach sehen, was passiert, was macht das schon? Aber jetzt bin ich der Meinung, daß du aufhören solltest. Das ist mein Ernst. Ich halte das für eine schlechte Idee.«
Wieder folgte langes Schweigen. Wieder fuhr ein Lastwagen vorbei, und dann hörte ich nur noch seinen Atem in der Dunkelheit.
Kapitel 9
Als ich am Morgen wach wurde, war Randy nicht da. Seine Tasche war noch im Zimmer, und als ich aus dem Fenster schaute, sah ich meinen Laster auf dem Parkplatz. Also dachte ich mir, daß er nicht weit weg sein könnte.
Ich duschte, zog mich an, ging runter in die Lobby des Motels und las eine Weile Zeitung. Dann gab ich es auf, auf ihn zu warten, und ging nach draußen. Es war ein verhangener
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