Der Linkshänder – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)
weg, dann stemmte ich beide Hände auf die Theke und beugte mich über ihn. »Jetzt hören Sie mal zu, Stu« , sagte ich und sah ihm ins Auge. »Ich weiß nicht, was hier vor sich geht. Oder für was Sie mich halten. Oder was Sie denken, was ich hier mache. Oder warum zum Teufel Sie meinen, Sie müßten mir die Luft aus meinen Reifen lassen. Das ist übrigens etwas, was ein zwölfjähriger Straßenjunge macht. Von einem, der an einer Tankstelle arbeitet, erwarte ich schon etwas mehr Einfallsreichtum.«
Er sagte nichts. Er sah mich nur an.
»Was kommt jetzt, Stu? Schmieren Sie mir Seife auf die Scheiben?«
Eine Stimme hinter mir: »Nein, das lassen wir aus.« Und dann das unverkennbare Geräusch, wenn jemand eine Schrotflinte spannt. »Wir gehen direkt hierzu über.«
Ich wandte mich um. Rocky stand hinter mir und hielt ein Schrotgewehr auf meinen Bauch. Seine Bedienung von der Theke stand gleich hinter ihm.
Ich schluckte. Es war zum zweiten Mal an diesem Tag, daß einer mich mit einem Schrotgewehr bedrohte. Diesmal war es eine Remington mit kurzem Lauf, mit einem Hebel zum Laden und Auswerfen der Patronen, genau wie die, die ich einst im Kofferraum meines Streifenwagens zum Einsatz bei Krawallen mitführte, allerdings zum Schießen aus weiter Entfernung. Der Mann, der sie mir jetzt dicht vor den Bauch hielt, wußte offensichtlich, was er tat.
Das haben sie mit Randy gemacht. Das macht man mit Fremden in dieser Stadt. Sie spielen dir irgendeinen blöden Streich, drängen dich damit in eine Ecke, wie die, in der ich jetzt bin, und schießen dann auf dich.
»Würden Sie bitte das Gewehr senken«, sagte ich. Ich beobachtete seine Hände. Ich wartete darauf, daß sich die Muskeln anspannten, um den Abzug zu betätigen. Es wäre das letzte, was ich jemals sehen würde.
»Geben Sie mir Ihren Notizblock«, befahl er.
»Was?«
»Harry hat gesehen, wie Sie sich etwas auf einem Block notiert haben, als sie losfuhr.«
Ich fischte den Block aus meiner Rocktasche und warf ihn ihm zu. Er fing ihn mit einer Hand und gab ihn an Harry weiter, den Mann von der Bar, der ihn durchblätterte. Er brauchte nicht lange, bis er zur letzten Seite kam.
»Es ist ihre Autonummer«, sagte er. »Und noch eine Nummer.«
»Wer ist das?« fragte Rocky. »Wer ist die andere Nummer?«
»Der Kerl, der sie verfolgt«, sagte ich. »In einem weißen Cadillac. Der ist es, den Sie vor der Flinte haben sollten.«
»Wer sind Sie?« fragte er. »Was wollen Sie hier?«
»Ich suche nach Maria«, sagte ich. »Ich will nur mit ihr sprechen. Über den Mann, auf den man hier gestern geschossen hat.«
Rocky und Harry tauschten wegen dieser Information kurz Blicke aus. Ich plante intensiv meinen nächsten brillanten Diskussionsbeitrag, als draußen der Streifenwagen vorfuhr. Ohne Sirene, ohne Blinklicht. Chief Rudiger öffnete die Tür, stieg langsam aus. Ganz so, als wolle er tanken.
»Was ist los, Rock?« fragte er.
Rocky hielt das Gewehr nach unten. »Wir haben hier einen Mann, der Stu bedroht hat«, erklärte er. »Vermutlich war er gerade im Begriff, tätlich zu werden.«
Rudiger hob seine Augenbrauen, als er mich sah. »Na, wen haben wir denn da?« sagte er. »Das überrascht mich aber gar nicht.«
»Du kennst den Mann?« sagte Rocky.
»Und ob«, sagte der Chief. »Ich werde mich mit ihm unterhalten. Ihr könnt in die Kneipe zurück.«
»Du kannst ihn gerne haben«, sagte Rocky.
Als die beiden Männer gegangen waren, begann Stu seine Zeitung glattzustreichen. »Gehn wir, McKnight«, sagte Rudiger. »Steigen Sie ins Auto.«
»Wohin fahren wir?«
»Sie wollten doch mein Scharfer-Hund-Spiel mal sehen, nicht wahr? Das führe ich Ihnen jetzt vor.«
Es war eine kurze Fahrt, vielleicht fünfhundert Meter auf der Hauptstraße bis zum Rathaus. Ich saß hinten in seinem Streifenwagen. Es war einer der neueren, mit harten Plastiksitzen hinten, so daß ein Verdächtiger keine Stelle fand, wo er etwas verstecken konnte. Als wir hinter dem Gebäude parkten, öffnete er mir die Tür und führte mich zu der Hintertür, durch die ich geblickt hatte, als ich in die Stadt gekommen war. Er knipste das Licht an und zog einen Stuhl vor seinen Schreibtisch, auch aus hartem Plastikmaterial wie die Hintersitze des Streifenwagens. Dann ging er auf seine Seite des Tisches und setzte sich. Er nahm seinen Hut ab und legte ihn auf den Tisch. ORCUS BEACH, MICHIGAN, mit der Kanone im Sand.
Er wartete, daß ich mich ihm gegenüber hinsetzte. Als ich das getan hatte,
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