Der lockende Ruf der grünen Insel: Roman (German Edition)
Eiliges?«
Rory zeigte auf Sean. »Sie müssen kommen. Es geht um Danni.«
39. Kapitel
D anni hatte die Dunkelheit noch nie als so undurchdringlich empfunden wie an jenem Abend, als sie ganz allein das kleine Haus verließ. Die Finsternis erwartete sie gleich hinter dem schwachen Licht der Glühbirne auf der Veranda, erdrückend schwarz und seltsam ungeduldig, wie ihr schien. In einer der Küchenschubladen hatte sie eine Taschenlampe gefunden, deren Batterien jedoch so alt waren, dass der schwache Strahl kaum einen Unterschied im Dunkeln machte. Schaudernd blickte Danni zu dem verhangenen Himmel auf, an dem dicke Wolkenbänke die Sterne und den schmalen Streifen Mond verdeckten.
Ein scharfer Wind war aufgekommen, dessen Kälte ihre Kleider durchdrang und bis in ihre müden Knochen sickerte. Das Krachen der Brandung in der Ferne machte sie ganz benommen und gab ihr das Gefühl, am falschen Ort zu sein. All das machte sie so unsicher, dass sie kaum einen Schritt vor den anderen zu setzen wagte. Das einzig Sichere für sie war, dass sie diese Schritte tun musste ...
Mit größter Vorsicht drückte sie das Buch, das immer noch in ihre Jacke eingewickelt war, an ihre Brust, während sie den unebenen Pfad einschlug, der zu dem felsigen Strand hinunterführte. Ihre Schritte klangen unnatürlich laut, aber das wilde Pochen ihres Herzens war sogar noch lauter. Zweimal blieb sie stehen und drehte sich um, nahezu sicher, dass ihr jemand folgte. Halb hoffte sie, dass es Sean sein könnte, halb bangte sie, dass er es nicht war. Die Härchen an ihrem Nacken richteten sich auf. Furchtsam blickte sie sich immer wieder um und fand doch nicht mehr als ihre Fantasie, die sie verfolgte. Aber das Gefühl, beobachtet zu werden, ließ nicht nach.
Sie stolperte den steilen Pfad hinunter, schaffte es jedoch bis zu seinem Ende, ohne hinzufallen. Was ein Wunder war, weil auf halbem Weg das Buch von Fennore anfing, mit ihr zu sprechen, und sie mit seinem heftigen Pulsieren zur Eile antrieb. Mit jedem Schritt wurde das Buch noch fordernder und ungeduldiger, und Danni fühlte sich deshalb nur noch zaghafter und beklommener. Das unerträgliche Summen brachte ihren Entschluss ins Wanken und erfüllte sie mit Furcht und Schrecken. Der Gedanke, das Buch auszupacken, den juwelenbesetzten Einband zu sehen und ihn sogar zu berühren ... Am liebsten wäre sie davongelaufen, um nie wieder zurückzublicken.
Doch irgendwie schaffte sie es weiterzugehen, bis der aus dem Fels gehauene Höhleneingang vor ihr auftauchte. Nach einem tiefen Atemzug zwang sie ihre zitternden Beine, sie hindurchzutragen.
»Tu es einfach«, flüsterte sie sich zu.
Sie hatte schließlich auch nicht den Mut verloren, als sie zum Haus ihrer Mutter zurückgekehrt war, um das Buch zu stehlen. Sie konnte - und würde - jetzt genauso furchtlos sein. Ein paar Minuten noch, und sie konnte alle Ungerechtigkeiten ihres Lebens korrigieren. Sie würde Sean retten und ihrer Mutter helfen - indem sie dafür sorgte, dass sie nicht verschwinden musste. Und Dáirinn und Rory würden nicht auseinandergerissen und im Stich gelassen werden. Danni konnte alles haben, was sie sich ihr Leben lang gewünscht hatte, wenn sie jetzt nur ganz ruhig und besonnen blieb.
Sie tat einen tiefen, beruhigenden Atemzug und ließ keine Gedanken an die Größenordnung ihres Vorhabens an sich heran. Sie würde die Vergangenheit ändern. Nicht nur ihre, sondern die von vielen Menschen. Danni hatte genug Science-Fiction-Filme gesehen, um die möglicherweise verheerenden Auswirkungen auf die Welt zu fürchten, die ihr Tun hier mit sich bringen könnte. Aber falls ihr die Macht dazu verliehen worden war, war dies nicht ohne Grund geschehen, daran musste sie einfach glauben. Vielleicht war das ihr Lebenszweck. Sie musste tapfer sein und sich selbst vertrauen.
Sie würde ihren Vater woandershin versetzen müssen, damit ihr Vorhaben gelang. Irgendwohin weit weg von hier, in eine andere Zeit und an einen anderen Ort, wo er niemandem mehr schaden konnte. Ohne das Buch würde er nur ein Mann sein, den sie nie wieder würde fürchten müssen.
Danni sagte sich all das in Gedanken immer wieder wie ein Mantra, als sie vorsichtig über die unebenen Steine zu der Höhle unter den Ruinen ging. Der schwächer werdende Lichtstrahl ihrer Taschenlampe spiegelte sich auf dem unruhigen Wasser in der Höhle wieder, machte es schwarz und weiß und verwandelte es in ein lebendiges, zu ihren Füßen kauerndes Ungeheuer. Nach einem
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