Der lockende Ruf der grünen Insel: Roman (German Edition)
Michael Ballagh! Du bist doch kein Idiot. Warum verhältst du dich also wie einer?«
Ein Idiot ganz sicher nicht. Nur tot.
»Warum hast du mich nach Amerika geschickt, um Danni herzuholen?«, wiederholte er seine Frage.
»Es gibt nun mal Dinge, mein Junge, mit denen wir leben müssen. Und falls du glaubst, ich wüsste das nicht, dann bist du wirklich ein Narr. Der Herr bereitet mir den Weg, und ich kann nicht mehr tun, als ihm zu folgen. Er würde mich nicht verurteilen für die Entscheidungen, die ich getroffen habe. Ja, ich habe dich zu Danni geschickt, um sie zurückzuholen. Aber wie kannst du auch nur fragen, warum? Sie kann beeinflussen, was heute Nacht geschieht, und ich wäre nicht die Frau, die ich bin, wenn ich nicht wollte, dass sie es versucht.«
Sean hatte keinen blassen Schimmer, was sie meinte, und gab das nun auch offen zu.
»Ich sage nur, dass eine Chance besteht, den Verlauf der heutigen Geschehnisse zu ändern. Und ich bin der Meinung, dass Danni diese Chance ist.«
»Und was ist mit dem Buch von Fennore? Hast du ihr die Idee in den Kopf gesetzt, es zu verwenden?«
»Wofür hältst du mich? Als wüsste ich nicht, dass das Buch von Fennore kein Spielzeug ist, mit dem man seine Späßchen treiben kann. Und auch kein Wunschbrunnen, in den man einfach einen Penny werfen kann. Dass es benutzt werden kann, daran besteht nicht der geringste Zweifel. Und natürlich kann es auch sehr unklug angewendet werden. Es hat nichts mit Gott zu tun, besitzt aber genügend Macht, um in gewisser Weise in unser aller Schicksal einzugreifen. Ob Danni es benutzt oder nicht, liegt ganz allein bei ihr.«
Sean drehte sich auf seinem Stuhl und sah die alte Frau an, die länger, als er zurückdenken konnte, seine einzige Gefährtin gewesen war. »Sie hat Trevor gerettet«, bemerkte er.
Colleen nickte mit Tränen in den Augen. »Als ich ihn durch meine Tür hereinkommen sah, war mir, als müsste mir das Herz vor Glück zerspringen. Als wäre ein Damm in mir gebrochen, fühlte sich das an.«
Er wusste, was sie meinte, denn auch für ihn war es so gewesen, als hätte sich eine schwarze Leere urplötzlich mit Liebe und Heiterkeit gefüllt. Trevor war schon vom Tag seiner Geburt an das Herz seiner Familie gewesen. Sein Tod hatte sie alle in ein seelisches Tief gestürzt, dem sie nie entkommen waren.
»Weiß sie es?«, fragte Colleen.
Sean runzelte die Stirn. »Was?«
»Dass sie ihn gerettet hat?«
»Wie könnte sie das nicht wissen? Er war tot, und jetzt lebt er wieder.«
»Aber das kann sie doch nicht wissen, oder? Es sei denn, du hast es ihr gesagt?«
Sean schüttelte den Kopf. Er hatte Danni bisher nicht erzählt, dass Trevor an diesem Morgen wieder lebendig und mit ihnen auf der Guillemot gewesen war. Natürlich hatte er angenommen, dass sie wusste, was sie zustande gebracht hatte. Aber er hatte nie mit ihr über Trevor gesprochen, weil er seinen Namen nicht mehr über die Lippen brachte seit dem Tag, als er seinen kleinen Bruder ermordet in der Küche liegen gesehen hatte.
Nach der Vision an diesem Morgen war Sean zuerst zu betäubt gewesen, um etwas zu sagen. Als er dann vom Boot seines Vaters zurückgekehrt war, war Danni nicht im Haus gewesen. Und danach ... Er konnte spüren, wie seine Wangen glühten, als er sich erinnerte, was danach geschehen war.
»Wenn du weißt, was heute Nacht geschehen wird, warum verhinderst du es dann nicht?«, fragte er seine Großmutter stirnrunzelnd.
»Und was glaubst du, was ich tue? Däumchen drehen und ein Tänzchen aufführen?«
»Du überträgst Danni eine riesige Verantwortung. Und setzt ungeheuer viel Vertrauen in ihre ... Fähigkeiten. Und wenn sie nun doch nichts ändern kann?«
»Tja ...« Colleen zuckte die Schultern. »Aber was, wenn sie es kann?«
»Oder alles noch verschlimmert?«
»Wie könnte es noch schlimmer werden, Sean?«
Darauf hatte er keine Antwort. Doch die Frage jagte ihm gehörig Angst ein.
»Sie versucht, dich zu retten«, sagte Colleen und legte eine gichtgekrümmte Hand auf seine. »Da wäre es nur anständig von dir, wenn du das Gleiche auch für sie tätest.«
Bevor er fragen konnte, was sie meinte oder was er tun konnte, hörten sie schnelle, leichte Schritte auf dem Weg, und Rory MacGrath tauchte aus dem Dunkel hinter der Veranda auf. Er war puterrot im Gesicht, völlig außer Atem und konnte nur ein paar unverständliche Worte stammeln. Sean und Colleen sahen ihn verwundert an.
»Setz dich, Kind«, bat Colleen. »Was gibt es denn so
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