Der lockende Ruf der grünen Insel: Roman (German Edition)
von Antworten Revue passieren ließ und filterte. Dass er das Gefühl hatte, es gebe viele Dinge, vor denen sie beschützt werden musste. Und noch mehr, vor denen sie sich fürchten müsste. Wusste er etwas von dem Buch von Fennore? Hatte er es vielleicht sogar schon mal gesehen?
Die Wände drückten und stießen gegen die zum Schneiden dicke Luft. Warteten ... und warteten.
»Er soll dich einfach nur beschützen«, sagte Sean schließlich, ohne Danni anzusehen. »Der Schmuck ist ein Familienerbstück und gehört jetzt dir.«
»Mir?«, fragte sie erstaunt, und die Wände schienen geradezu einen erfreuten Seufzer auszustoßen.
»Ja. Leg die Kette an! Sie ist für dich.«
»Aber woher kommt sie? Wie bist du ...«
»Willst du, dass ich sie zurücknehme?«
»Nein«, sagte Danni schnell. »Nein.«
Die seufzenden Wände drängten näher, als Sean die feine Kette behutsam anhob und hinter Danni trat, um sie ihr umzulegen. Seine Finger waren angenehm warm an der empfindsamen Haut ihres Nackens, und der Kontakt mit ihnen so intim, als wären es seine Lippen, die sie dort berührten.
Die Wände pulsierten von einem dunklen Drang, der Danni große Furcht einjagte.
Als Sean zu seinem Platz zurückkehrte, stand eine steile Furche zwischen seinen Brauen, und seine Augen waren von einem seltsam goldenen Grün, das Danni an eine aufgewühlte See erinnerte. Er blickte an ihr vorbei, als hätte ihn irgendetwas hinter ihr abgelenkt. Sie hatte das beunruhigende Gefühl, dass er das beharrliche Knarren, mit dem sich die Wände ausdehnten und dünner wurden, ebenso gut sehen und hören konnte wie sie selbst. Aber das war unmöglich. Sie hatte noch nie eine ihrer Visionen auf jemand anderen übertragen.
»Ich weiß nicht, aus welcher Zeit er stammt«, sagte Sean über den mit solch seltsamen Symbolen verzierten Anhänger. »Ich glaube nicht, dass er je einer zugeordnet worden ist. Aber es ist alt. Sehr alt.«
Die Kette fühlte sich an ihrem Hals schwer an, schwerer, als Danni es vermutet hätte. Sie hob sie mit zitternden Fingern an, schon halb in der Erwartung, dass das kostbare Stück wie eine Illusion zerrinnen würde. Doch kaum berührte sie es, durchzuckte sie ein weiterer heftiger Stich, und mit ihm kamen Bilder und eine Fülle verworrener Eindrücke, die von allen Seiten auf sie einstürmten und ihr den Atem raubten. Ihr blieb keine Zeit, auch nur irgendetwas von alldem zu verstehen, als es auch schon über sie hereinbrach.
»Alles in Ordnung?«, fragte Sean und holte sie aus dem Chaos zurück, indem er ihre Hand ergriff.
Die Wände tirilierten förmlich, und Danni befürchtete, dass sie sie in ihre quirlige Masse hineinziehen würden. Ihr war schon ganz übel von ihrer Anziehungskraft, und sie war geradezu entsetzt über die Versuchung, die dahinter lag.
»Danni, was ist los? Was ist mit dir?«
Seans Stimme kam wie aus weiter Ferne; sie spürte sie mehr, als dass sie sie hörte. Sie versuchte zu antworten, brachte jedoch nur einen unverständlichen Laut zustande, der die in ihr aufsteigende Panik noch verschärfte. Seit dem Morgen, an dem Sean in ihrer Küche erschienen war, waren die Visionen stets zum Greifen nahe gewesen und hatten nur darauf gewartet, sie in ihren Furcht erregenden Griff zu nehmen. Und nun das - dieses beklemmende Gefühl, dass sie ihre vier Wände durchbrechen und ihr Leben, so wie sie es kannte, unwiederbringlich verändern würden.
Sean war inzwischen aufgestanden und zog auch Danni auf die Füße. Sie war sich seiner, seines starken Körpers, seiner Größe und Kraft und der Verführung in seinen nicht ganz grünen, nicht ganz grauen Augen sehr bewusst. Wäre er doch nur real! Plötzlich wünschte sie mit aller Kraft, dass er mehr als nur eine boshafte Laune des Schicksals wäre. Sie wollte sich an ihn lehnen, seine starken Arme um sich spüren, die sie trösteten und an ihn drückten ... und die Furcht einflößende Luftveränderung vielleicht zum Stillstand brachten.
Es ist nicht fair, dachte sie. Es war nicht fair, dass er auf diese Weise in ihr Leben getreten war. Ein Mensch mehr, den sie sich an ihrer Seite wünschte, aber dort nicht haben konnte. Denn obwohl er ein Fremder war, wollte sie unbedingt mehr über ihn in Erfahrung bringen. Um sich ihm verbundener zu fühlen. Sie wünschte, es könnte anders sein. Warum musste sich immer alles, was sie wollte, außerhalb ihrer Reichweite befinden?
Ein Geräusch ging Danni durch den Kopf - ein an- und abschwellendes Rauschen, ein
Weitere Kostenlose Bücher