Der lockende Ruf der grünen Insel: Roman (German Edition)
im Esszimmer, glaube ich, und polieren das Silber.«
Sein Lächeln bekam fast etwas Übermütiges, das Danni auf den Gedanken brachte, dass sie den Anflug von Verzweiflung in seinen Augen falsch gedeutet haben musste. Cáthan straffte seine Schultern und ging zum Kühlschrank. »Dann habe ich ja Glück gehabt«, erklärte er, als er sich vorbeugte und das Gerät durchstöberte. »Ich habe das Mittagessen verpasst, aber ich würde eher verhungern, als mich mit Bronagh um einen Imbiss herumstreiten zu müssen.«
Verwundert starrte Danni auf seinen gebeugten Rücken. Ihr Vater fürchtete die Köchin? Darauf wäre sie nie gekommen.
»Ich glaube, im hinteren Teil habe ich ein paar Lammkoteletts gesehen«, bemerkte sie.
»Ja - da sind sie!« Mit einem triumphierenden Grinsen zog er den Behälter heraus. »Sie sind ein Engel, Danni.«
»Ich habe sie nicht gebraten«, begann sie verlegen, doch er lächelte nur und schüttelte den Kopf, als er in eins der Koteletts biss.
»Egal. Sie haben mich darauf aufmerksam gemacht. Warnen Sie mich aber bitte, falls Sie den Feind hereinkommen sehen!«
Danni nickte, während sie ihren Vater mit eindringlichen Blicken musterte, wie um sich für immer seinen Anblick einzuprägen. Dieser gut aussehende Mann war ihr Dad, den sie ihr ganzes Leben lang hatte kennenlernen wollen. Und nun war er da und führte ein ganz zwangloses Gespräch mit ihr. Irgendwie war dieses Szenario fast so ungeheuerlich und unwirklich, wie durch die Zeit zu reisen.
Sie zwang sich, mit dem Geschirrspülen weiterzumachen, während Cáthan aß. Ich muss ja schrecklich aussehen, dachte sie beschämt. Sie war müde, schmutzig und roch wahrscheinlich nicht besser als ihr Vater nach seinem Aufenthalt im Schweinestall. Ihr Pferdeschwanz hatte sich halb aufgelöst, und ihre Haut war mit Mehl, Öl, Schweiß und Kochgerüchen überzogen. Sie sehnte sich nach einer Dusche. Einer möglichst ausgiebigen Dusche.
»Sie kommen mir so bekannt vor, Danni«, bemerkte er plötzlich, was sie veranlasste, ihm einen Blick über die Schulter zuzuwerfen. »Kann es sein, dass wir uns schon einmal begegnet sind?«
Ein kleines Lachen entschlüpfte ihr, das sie an das nervöse Kichern ihrer Mutter erinnerte. »Das bezweifle ich, doch ich habe heute schon mehr als einmal gehört, dass ich den Leuten irgendwie bekannt vorkomme«, erwiderte sie und zwang sich, ihr Lächeln beizubehalten, obwohl sie plötzlich so aufgeregt war, dass ihr Herz ihr fast die Brust zu sprengen drohte. »Es besteht allgemeine Einigkeit darüber, dass ich Vorfahren haben muss, die hier aus Ballyfionúir kamen.«
»Das wäre aber ein bemerkenswerter Zufall, was?« Auf ihr Stirnrunzeln hin fügte er hinzu: »Ich meine, in Amerika einen Ehemann zu finden, der aus demselben Ort kommt, von dem auch Ihre Familie stammt.«
Nur geradezu unglaublich, dachte sie und sagte: »So ungewöhnlich wäre das gar nicht. Schließlich behauptet so gut wie jeder in Amerika, etwas Irisches zu haben.«
»Da haben Sie auch wieder recht.« Er hatte das erste Lammkotelett verputzt und begann jetzt mit dem zweiten. »Ich finde es übrigens ganz erstaunlich, in welch kurzer Zeit sie sich mit meiner Gattin angefreundet haben.«
Sein Ton war noch immer beiläufig und nur ein kleines bisschen neugierig. Aber Dannis Nerven waren in den letzten vierundzwanzig Stunden so sehr strapaziert worden, dass sie das Gefühl hatte, sich rechtfertigen zu müssen, als sie antwortete: »Sie ist sehr nett.«
»Das ist sie. Zu nett, fürchte ich, denn viele Leute nutzen das nur aus.«
Danni blickte auf, um zu sehen, ob das so etwas wie eine Warnung sein sollte. Dachte er etwa, sie würde seine Frau ausnutzen? Aber er war mit seinem Essen beschäftigt und sah Danni nicht einmal an. Wahrscheinlich war sie nur paranoid, sagte sie sich und begann, die gespülten Töpfe und Pfannen abzutrocknen und wegzuräumen.
»Wahrscheinlich fragte ich mich nur, ob Sie und meine Frau sich schon kannten, bevor Sie hierherkamen«, fuhr Cáthan fort. »Normalerweise ist sie nämlich viel reservierter, wenn sie Leuten zum ersten Mal begegnet.«
»Oh!«, murmelte Danni, die sich plötzlich fragte, ob ihre Mutter im Unterbewusstsein nicht vielleicht gespürt hatte, dass eine Verwandtschaft zwischen ihnen bestand. Das war ein überaus erfreulicher Gedanke, und wenn er noch so weit hergeholt war. »Nein, wir sind uns zuvor noch nie begegnet.«
»Natürlich nicht ...« Cáthan hielt inne und schien sich seine nächsten Worte
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