Der Lockvogel
meinen.«
»Richard, ich glaube, das tun Sie. Sie haben um dieses Treffen gebeten, und ich bin gerne hier, aber wenn wir nicht offen miteinander reden können, werde ich gehen. Ich weiß inzwischen eine Menge über Sie. Aber ich wusste auch schon lange bevor ich diesen Fall übernahm, wie Malin und Sie zusammenarbeiten. Ich kenne Russland. Malin ist der Player, und Sie sind sein Schutzgeldverwalter.« Webster pausierte einen Moment, um Lock reagieren zu lassen. Lock hatte seinen Kopf zur Seite gedreht und schaute zu Boden, das Kinn in die Hand gestützt, sein Ellbogen auf der Tischplatte.
Er wollte das nicht hören. Sie waren dicht dran. »Richard, ich weiß auch, dass der Mann vor Ihrem Hotelzimmer kein Bodyguard ist.« Lock schaute ihn wieder an. »Sonst hätten Sie nicht letzte Nacht vor ihm weglaufen müssen.«
Lock sagte einen Moment lang nichts. »Was meinen Sie?«
»Wir haben Sie beschattet. Tut mir leid. Wir haben gesehen, wie Sie zum Haus Ihrer Frau fuhren, aber wir haben Sie nicht weggehen sehen. Vorhin – na, etwa vor einer Stunde – wechselten Ihre beiden Bodyguards oder was immer die sind, ein Wort mit Ihrer Frau und rasten davon. Und Sie waren nicht in Ihrem Hotel. Wir haben das überprüft.«
Lock hielt Websters Blick stand. Webster konnte Verärgerung darin entdecken, aber auch Trotz.
»Richard, Ihre Zeit ist abgelaufen. Jede dieser Beziehungen funktioniert so, jede, die ich je gesehen habe – Sie können sie nicht beenden, und Konstantin kann sie nicht beenden. Er braucht Sie so sehr, wie Sie ihn brauchen. Aber die Außenwelt kann es. Das FBI kann es. Dem juckt es in den Fingern, Sie beide auseinanderzubringen.« Lock hatte aufgehört, Webster anzuschauen. Er starrte auf die Tischplatte, schien nichts wahrzunehmen, aber Webster redete weiter. »Nur wird der letzte Akt meistens den Russen überlassen. Burschen wie Sie bleiben immer zu lange bei der Stange. Und wenn die Russen ihnen nicht mehr vertrauen … Sie wissen, was dann passiert. Ich muss es Ihnen nicht erklären, oder? Sie wissen das besser als ich.«
Lock schob seinen Stuhl zurück und fing an aufzustehen. Trotzig schaute er Webster in die Augen. »Ich bin hergekommen, um mit Ihnen über Geschäfte zu sprechen, und Sie … halten mir Predigten. Ich brauche das nicht. Sie haben gar keine Ahnung, wie wenig ich das brauche.«
Webster beugte sich vor und legte die Hand flach auf den Tisch, eine Geste der Endgültigkeit und des Vertrauens. »Richard, ich bin nicht hier, um Sie zu kränken. Aber Sie müssen eine Entscheidung treffen. Sie tragen ihre Kleidung von gestern, mit Schlamm an den Schuhen, warum? Weil Sie dachten, es sei eine lustige Idee, mitten in der Nacht über Mauern zu springen? Sie sind nicht mehr der Mann, der Sie vor einer Woche waren. Ihr Leben hat sich verändert.«
Lock stand auf. Webster redete weiter.
»War das Teil des Plans, abzuhauen? Oder blinde Panik? Oder wollte Ihre Frau Sie nicht bleibenlassen?«
Ohne Webster anzuschauen, ging Lock zwischen den Tischen hindurch und zur Tür hinaus. Seine Tasse war noch voll Tee. Durch die Scheibe sah Webster sein Gesicht, als er auf die Straße trat. Es lag keine Spur von Beleidigtsein darin, keine Wut; nur die Angst eines Verfolgten.
Webster trommelte mit den Fingern in Gedanken auf die Tischplatte. Noch zehn Minuten mit ihm waren alles, was er brauchte. Er setzte sein Smartphone wieder zusammen und startete es. Er musste Black anrufen und ihn wissen lassen, dass Lock gegangen war und auf der Church Street Richtung Osten unterwegs war. Er konnte jetzt hinter Lock hergehen und ihn auf der Straße einholen, oder er konnte ihn später finden und seine Gedanken die Arbeit machen lassen. Aber es musste heute sein.
Sein Handy erwachte mit einem Piepton, und als er es nahm, hörte er die Türglocke des Cafés. Lock stand im Türrahmen mit einem seltsamen Ausdruck der Zerknirschung im Gesicht. Webster schaute auf, als Lock sich zwischen den orangefarbenen Plastikstühlen seinen Weg bahnte und
sich wieder hinsetzte. Einen Moment lang sprach keiner der beiden Männer.
»Können wir über mich sprechen?«, sagte Lock schließlich.
Webster nickte knapp und verständnisvoll. »Ich glaube, das sollten wir tun.«
»Ich … ich bin heute Morgen zur Kirche gegangen. Diese schöne in der George Street. Kennen Sie die?« Webster schüttelte den Kopf. »Sie sollten sie einmal besuchen. Man geht durch die Tür und es ist, als wäre man in Italien. Ich dachte, wenn ich jemandem alles
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