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Der Lockvogel

Der Lockvogel

Titel: Der Lockvogel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Morgan Jones
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zufügen wollen. Kommen Sie heute nach Moskau – oder morgen, lassen Sie sich Zeit –, und ich garantiere Ihnen, dass in einem Jahr, vielleicht in zwei Jahren, nichts mehr von dieser Sache übrig sein wird. Nichts. Und Sie werden zurückschauen und denken, wie dumm Sie waren, an mir zu zweifeln. An sich selbst zu zweifeln.«
    Lock setzte sich, ließ seinen Kopf hängen und rieb seinen Nacken, bis ein roter Fleck auf der Haut erschien. Er nahm das Handy vom Ohr, sah es ausdruckslos an und beendete das Gespräch.
    »Es gab niemals einen Zweifel«, sagte er zu seinem leeren Zimmer und sank auf das Bett.

14
    Webster ließ sein Taxi in der Straße hinter Locks Hotel halten und lief die letzten paar Hundert Meter. Aus Gewohnheit verließ er nie ein Taxi direkt vor seinem Zielort. Aus der Luft hatte Deutschland sauber und ordentlich ausgesehen, schwarze Linien von Bäumen erstreckten sich über fleckenlose weiße Felder, die Stadt war ein Puzzle aus roten Dächern und geraden Straßen, aber unten angekommen war nichts makellos. Mit einem Bein noch im Auto machte Webster einen vorsichtigen Schritt über die gefrorene Pfütze im Rinnstein und bemühte sich, nicht auf dem eisigen Schnee auszurutschen, der von der anderen Seite des Bürgersteigs hierhergeschoben worden war. Er spürte, wie der Ostwind durch seine flatternde Hose wehte, und er wusste, dass sein dünner Londoner Mantel keinen Schutz gegen diese Kälte bieten würde.
    Er fragte sich, welcher Lock auf ihn wartete: der überzeugende Anwalt oder der verängstigte Flüchtling. Am Telefon hatte er verzweifelt geklungen. Nicht zum ersten Mal fragte sich Webster, ob er Lock zu sehr antrieb, und erneut lautete seine Antwort, dass es außer ihm keinen Ausweg gab, alle anderen Optionen noch schlechter waren und es nicht mehr lange dauern werde. Und er glaubte auch Locks Antwort darauf zu hören: Hoffentlich haben Sie recht.

    Es fühlte sich seltsam an, persönliche Entscheidungen über das Leben eines Mannes zu treffen, den er kaum kannte. Er hatte gleichzeitig ein starkes Gespür und überhaupt kein Gespür für ihn: Seine Vorstellung von Lock setzte sich aus Zeitungsartikeln, Unternehmensaufzeichnungen, Gerichtsakten und willkürlich begründeten Annahmen zusammen. Der Lock, den er im Enzo’s getroffen hatte, hatte ihn überrascht. Er hatte erwartet, dass er die Arroganz eines Menschen haben würde, der zu Macht gekommen war, ohne sie sich erarbeitet zu haben; dass er eine dickere Schale haben würde und eine Art Selbstzufriedenheit, die ihm ganz offensichtlich fehlte. Als er ihm im Mantel am Tisch gegenübersaß, schien Lock bereits gefallen zu sein, weniger ein wichtigtuerischer Mittelsmann als vielmehr ein Sünder auf der Suche nach Absolution, der nur zu gut zu wissen schien, was er getan hatte und wie viel auf dem Spiel stand.
    Und war er letztendlich nicht auch ein Opfer der gleichen Unordnung, die Inessa getötet hatte, desselben verzweifelten Versuchs, die Wahrheit zu verschleiern? Webster wusste nicht, ob ihn das beruhigen oder nervös machen sollte: Seine eigene Rolle wurde dadurch unwichtiger, aber seine Verantwortung Lock gegenüber um ein Vielfaches größer. Die Verantwortung, was zu tun, fragte er sich. Einen Ausweg für ihn zu finden, ihm eine zweite Chance zu geben. Ihn am Leben zu halten.
    Zum ersten Mal seit der Türkei hatte Webster das Bedürfnis nach einer Zigarette.
    Im Hotel Daniel erklärte er, er sei ein Freund von Mr. Green. Zimmer 205, zweiter Stock. Er ging die Treppe hinauf und fand das Zimmer am Ende eines dunklen Korridors, eine einzelne Lampe sonderte trübes Licht ab. Er
klopfte leise an die Tür und hörte drinnen eine Bewegung. Der Türspion wurde dunkel, und Lock öffnete die Tür, zuerst nur so weit, dass er den Korridor entlangblicken und sehen konnte, dass Webster allein war.
    »Kommen Sie rein.«
    Webster ging an ihm vorbei. Lock schloss die Tür, und einen Moment lang sahen sich die beiden Männer an, keiner von ihnen fand in dieser ungewöhnlichen Situation die richtigen Worte. Lock sah gequält aus. Sein Haar war fettig und ungekämmt, und er hatte eine kleine purpurrote wunde Stelle an seinem Mundwinkel. Er hatte sich seit London nicht mehr rasiert. Webster überflog das Zimmer: Das Bett war ungemacht, der Aschenbecher halbvoll, und die Luft roch nach Rauch und Schlaf und Whisky.
    »Nehmen Sie den Stuhl«, sagte Lock. »Ich fürchte, zwei würden das Budget sprengen.«
    »Wie geht es Ihnen? Warum gehen wir nicht etwas

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