Der Lockvogel
Sie?«
»Unten. Kommen Sie auf einen Kaffee.«
»Hier gibt’s nichts, wo man auf einen Kaffee hingehen kann.«
Hammer lachte. »Treffen wir uns bei Starbucks.«
Webster wollte erklären, dass er Starbucks für keinen besonders gut geeigneten Ort hielt, um irgendetwas zu besprechen, geschweige denn das, was sie zu besprechen hatten, aber Hammer hatte schon aufgelegt.
Hammer hatte ihm einen Kaffee geholt, den er eigentlich gar nicht wollte. Geistesabwesend trank er ihn trotzdem. Ihm fiel auf, dass Hammer trotz der vogelartigen Schärfe seines Blicks hinter der Brille mit dem dicken schwarzen Rahmen alt auszusehen begann. Dennoch, er hatte nichts von seiner einschüchternden Präsenz verloren, und Webster verspürte wie immer das Bedürfnis, eine gute Leistung für ihn zu erbringen.
»Liebe Zeit, Sie hatten ja vor Ihrem Urlaub bessere Laune«, sagte Hammer und leerte ein Tütchen Zucker in seinen Kaffee. »Wie war es?«
»Nass und kurz, aber schön, danke. Die meiste Zeit habe ich damit verbracht, im Nieselregen mit einem Angelkahn herumzupaddeln und Makrelen nachzustellen.«
»Und, Erfolg gehabt?«
»Elsa hat bei unserer ersten Fahrt sechs Stück gefangen. Dann nichts mehr. Nancy hat sie roh von meinem Taschenmesser gegessen. Ich habe ziemlich gestaunt.«
»Und wie war’s in der Türkei?«
»Heiß. Tourna ist ein Schmuckstück.«
»Was will er?«
Sie saßen nebeneinander an einem hohen Tresentisch am Fenster. Bevor er begann, schaute Webster instinktiv hinter
sich, um sicherzugehen, dass niemand zuhörte. Er lehnte sich ein wenig zu Hammer hinüber und redete leise.
»Wissen Sie, wer Konstantin Malin ist?«
»Ich weiß, dass ich den Namen schon einmal gehört habe. Öl?«
»Öl. Er ist die Macht hinter dem Thron im Energieministerium. Er berät den Kreml in Sachen Energiepolitik – einige sagen, er legt die Politik fest. Und er setzt sie durch. Außerdem ist er extrem reich – einer von der neuen Sorte. Ein stiller Oligarch.«
»Was hält der Minister davon?« Hammer war ein Fummler, ein Klopfer, ein Bleistiftkauer, dem es schwerfiel, völlig still zu sitzen. Jetzt blies er in seinen Kaffee, um ihn abzukühlen, seine Brillengläser beschlugen und klärten sich wieder. Er schaute Webster nicht an.
»Vermutlich bekommt er auch seinen Anteil, aber mit Sicherheit nur einen Bruchteil dessen, was Malin bekommt. Malin ist seit Jahrzehnten dabei. Er muss unter Dutzenden von Ministern gedient haben.«
Hammer trank einen Schluck Kaffee und schaute den Menschen zu, die auf der Straße vorübergingen, dann wandte er sich mit neuer Konzentration Webster zu.
»Wie mächtig ist er?«
»Ein Regierungs-Intimus seit zehn Jahren oder mehr, soweit ich weiß. Das ist ausgesprochen selten, vielleicht sogar einzigartig. In jedem einzelnen Fall, der mit Energie zu tun hat, taucht er irgendwo auf. Er ist die Graue Eminenz im Kreml.«
»Wer kümmert sich um seine Geschäfte?«
»In Russland weiß ich es nicht. Ein Bursche namens Lock ist seit fünfzehn Jahren oder so sein Anwalt. Er managt ein
irisches Unternehmen, das die meisten seiner Assets zu besitzen scheint. Und es gibt einen Russen namens Gratschow, der eine Handelsgesellschaft in Wien betreibt.«
Hammer überlegte einen Moment lang, wobei er mit Daumen und Zeigefinger einen präzisen Rhythmus auf den Tresen schlug. Sein viel zu großer Hemdkragen hing lose um seinen Hals wie eine Schlinge.
Webster sprach weiter. »Ich kenne Lock. Besser gesagt, ich weiß von ihm. In Moskau kursiert ein englischer Witz: Why did Malin lose all his money? Because it was Locked up .«
»Weil es weggeschlossen war – ein echter Brüller.«
»Es ist ein Wortspiel. Loc heißt auf Russisch Trottel.«
Nach einer Pause sagte Hammer: »Wen hat Malin verärgert?«
»Außer Tourna? Es gibt einen ehemaligen Manager, der interessant aussieht. Keinen offensichtlichen Feind. Es muss eine Reihe von Russen geben, die ihn nicht mögen, im Kreml und außerhalb. Sonst fällt mir niemand ein, und ich finde auch keine Prozesse, die uns da weiterhelfen könnten.«
»Das ist interessant.«
»Ist es das?«
»Und was will Tourna?«
Webster erzählte es ihm. Den Untergang von Malin.
»Mehr nicht?« Hammer lehnte sich zurück, trommelte mit den Daumen auf den Rand seines Glases. »Haben Sie über das Honorar geredet?«
»Nein. Ich habe ihm gesagt, dass ich zuerst mit Ihnen besprechen müsste, ob wir den Fall annehmen.«
Hammer runzelte die Stirn. »Warum sollten wir ablehnen?«
»Wegen
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