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Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition)

Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition)

Titel: Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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durch geheimdienstliche Ermittlungen Aufschluss über die exakte Liefermenge erhalten, und der weißrussische Geschäftsmann Iwan Gezolian, der geprellte Verkäufer des Isotops, hatte seinen Helfer Carlo Dolfini auf Stahl angesetzt. Stahl hatte Dolfini getötet und war geflohen.
    Die italienische Polizei hatte einen anonymen Hinweis auf Dolfinis Leiche erhalten, diese jedoch nicht in der von Lanotte angemieteten Wohnung gefunden, sondern erst ein halbes Jahr später in einem Sumpfgebiet, das einige Kilometer von Montemassi entfernt lag. Lanotte stand unter dem Verdacht, auch Dolfinis Frau getötet zu haben. Die internationale Fahndung lief. Man nahm an, dass Stahl möglicherweise versuchen würde, nach Finnland zu gelangen, wo seine Freundin lebte, deren Rolle bei den Ereignissen in Italien ungeklärt war.
    Am Schluss des Memorandums stand ein Zusatz: Ein soeben eingegangener Hinweis deutet darauf hin, dass Stahl möglicherweise noch eine weitere Deckidentität hat, Bengt Näkkäläjärvi. Es handelt sich um einen samischen Familiennamen. Der Gesuchte kann demnach einen finnischen, schwedischen, estnischen oder norwegischen Pass haben.
    Trotz allem musste ich lachen. Reiska hatte es tatsächlich geschafft, Rytkönen an der Nase herumzuführen. Aber war Rytkönen so blöd, dass er nicht versuchen würde, herauszufinden, wer Reiska war? Wohl kaum. Und wieso hatte man mich eigentlich noch nicht vernommen, obwohl man wusste, dass ich gerade in der kritischen Zeit in Italien gewesen war? Hatte Laitio immer noch so viel Einfluss, dass er mich schützen konnte? Wenn nicht er, wer bürgte dann für meine Schuldlosigkeit? Der ehemalige Ministerpräsident?
    Ich hielt es nicht für undenkbar, dass David Carlo Dolfini getötet hatte. Es wäre nicht sein erster Mord gewesen, und Dolfini hatte sich als Handlanger des Bombenhändlers Gezolian betätigt. Aber Rosa Dolfini? Ich erinnerte mich an ihre verängstigte Stimme am Telefon. Doch vielleicht war sie an den kriminellen Aktivitäten ihres Mannes beteiligt gewesen. Vielleicht hatte David keine andere Wahl gehabt, als auch sie auszuschalten. Vielleicht war er tatsächlich ein mehrfacher Mörder, der nur auf seinen eigenen Vorteil aus war.
    Mit diesem David wollte ich nichts mehr zu tun haben. Es geschah ihm ganz recht, wenn er in den Händen weißrussischer Folterknechte ums Leben kam. Ich schaltete den Computer aus und wusste, dass die Nacht endlos sein würde. Aller Tequila der Welt würde nicht ausreichen, meine Trauer zu ertränken.
     
    Am Sonntagmorgen strahlte die Sonne über Helsinki, doch schon nach kurzer Zeit trugen die Wolken den Sieg davon. Als ich nach Långvik fuhr, erschien mir die Dämmerung wie eine dicke Decke, die alle Gefühle dämpfte. Vielleicht war es Zeit, endlich loszulassen. Ich hatte mich an David gekettet, doch jetzt würde ich die Fesseln abstreifen. Was blieb mir von unserer Beziehung letztlich in Erinnerung? Geheimniskrämerei und Misstrauen, eine Leidenschaft, die alles auslöschte, zwei miteinander verschlungene, körperlich und seelisch nackte Menschen. Ich ließ eine CD von Eläkeläiset laufen, vielleicht würde die Musik von Reiskas Lieblingsband meine Sorgen vertreiben.
    Ich hatte Sachen zum Übernachten und meine Glock eingepackt. Außerdem hatte ich eine Waffe mitgenommen, die unauffälliger als die Pistole, aber ebenso lebensgefährlich war: einige getrocknete Stückchen Spitzgebuckelter Raukopf. Ich hatte die Pilzbrocken mehrmals durch den Zoll verschiedener Länder gebracht, und niemand war auf die Idee gekommen, dass es sich um ein tödliches Gift handelte. Dass Frühjahrslorcheln und Knollenblätterpilze gefährlich waren, wussten die meisten, aber den Spitzgebuckelten Raukopf kannte kaum jemand. Wenn ich gefragt worden wäre, hätte ich behauptet, es seien Reifpilze. Ich wusste allerdings nicht, für wen ich die Rauköpfe mit mir herumtrug, ob sie für mich eine ähnliche letzte Zuflucht waren wie einst die Zyanidkapseln für die Nazis. Für einen Selbstmord empfahlen sich die Pilze an sich nicht, denn sie verursachten tagelange Qualen.
    Am Tor rief ich Trankow an, der sagte, er werde es öffnen. Dass ich beim letzten Mal den Code gesehen hatte, wollte ich ihm nicht verraten. Nach einer Weile glitten die Torhälften auseinander und schlossen sich hinter mir, sobald ich auf das Grundstück gefahren war. Der Garten um Syrjänens Mietvilla erstrahlte in weihnachtlicher Beleuchtung. Led-Lichterketten hingen in den Bäumen, an den

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