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Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition)

Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition)

Titel: Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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Augenwinkeln sah ich eine Bewegung am Ufer. Das hell erleuchtete Atelier mit seinen Glaswänden war wie ein Aquarium, von außen konnte man mühelos beobachten, was darin geschah. Die Vorstellung, dass Usko Syrjänen im Garten herumlief und meine Brüste anstarrte, begeisterte mich nicht gerade, doch ich war bereit, diesen Preis zu zahlen, um zu erfahren, wie er ein als Erholungsgebiet ausgewiesenes Areal in seinen Besitz bringen wollte und wieso David von seinen Plänen wusste.
    Etwa anderthalb Stunden waren vergangen, als Trankow die Arbeit beendete. Der Schweiß stand ihm auf der Stirn, seine Augen glänzten wie Fridas, wenn sie es geschafft hatte, einen Feldhasen zu erbeuten.
    «Zeit für eine Pause. Möchtest du Tee? Oder vielleicht etwas zu essen?»
    «Tee wäre fein.» Ich zog das T-Shirt über, auf den BH verzichtete ich. Dann streifte ich die Schuhe ab und ging auf die Toilette. Erst danach wurde mir klar, dass ich Trankow beim Teekochen nicht im Auge behalten hatte. Ich überprüfte meine leere Tasse ganz genau und beruhigte mich erst, als sich Juri selbst genauso von dem Tee eingoss wie mir. Wieder ließ ich ihn zuerst Honig nehmen. Ich ging mit meinem Tee zum Sofa, Trankow folgte mir und setzte sich neben mich.
    «Wie geht es dir?», fragte er in freundschaftlichem Ton. «Im Restaurant schien es ziemlich hektisch zu sein.»
    «Gerade hektisch genug», antwortete ich und überlegte, ob jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen war, Trankow zu fragen, was er von seinem Tischkumpan Rytkönen gehalten hatte, doch er sprach weiter.
    «Vermisst du David Stahl immer noch?»
    Ich schlug die Augen nieder, um seinem forschenden Blick zu entgehen.
    «Warum sollten wir jetzt über Stahl reden?» Der gelangweilte Tonfall forderte schauspielerischen Einsatz. Ich starrte auf Trankows knochige, mit Farbe bekleckste Handgelenke.
    «Du musst eins wissen: Hat Stahl dir erzählt, dass er einen Sohn hat?»
    Entgeistert sah ich Trankow an. David hatte immer beklagt, dass er keine Kinder hatte. Noch in Montemassi hatten wir vage über die Möglichkeit eines gemeinsamen Kindes gesprochen, und ich hatte mich beinahe für den Gedanken erwärmt.
    «Er hat es dir also nicht gesagt. Aber vielleicht hat er es selbst erst kürzlich erfahren.»
    «Woher weißt du es dann, Juri? Oder hast du es dir aus den Fingern gesogen?»
    «Wissen ist Macht, das hast du doch sicher auch gelernt. Je mehr du weißt, desto mehr fürchtet man dich. Ich bin in Moskau zufällig einer Frau begegnet, die ich von früher kenne. Einer Litauerin namens Gintare. Sie war einmal fast so schön wie du. Jetzt ist von dieser Schönheit nicht mehr viel übrig. Gintare war Anfang des Jahrtausends Stahls Geliebte – und wurde schwanger.»
    Gintare hatte David gesagt, sie habe abgetrieben. David hatte mir erzählt, Gintare sei ihm gleichgültig, aber das Kind hätte er gern behalten.
    «Gintare wollte nicht mit Stahl zusammenleben. Sie hat ihm gesagt, sie hätte das Kind wegmachen lassen, und ursprünglich hatte sie wohl tatsächlich eine Abtreibung geplant, es sich dann aber anders überlegt. Das Kind wurde im Frühjahr 2002 geboren. Sie hat es in ein Kinderheim gegeben. Es ist wohl irgendwie behindert, denn sie war auch während der Schwangerschaft nicht von den Drogen losgekommen. Und Süchtige sind leicht zu bestechen. Gintare hat mir das alles für einen einzigen Schuss erzählt.»
    Trankow legte den Arm um meine Schulter.
    «Du begreifst wohl, Hilja, dass Stahl ein Dummkopf ist. Man hat Gintare gezwungen, ihm zu erzählen, dass das Kind doch existiert und in einem litauischen Kinderheim ein erbärmliches Leben fristet. So wird er in die Falle gelockt. Er macht sich auf, sein Kind zu retten, und wird geschnappt. Stahl ist verloren. Aber sei nicht traurig, mein Liebling. Ich helfe dir, ihn zu vergessen.»

19
    Ich wehrte mich nicht, als Trankow mich küsste. Es war ein weicher, tastender Kuss, wie eine Bitte, weitergehen zu dürfen. Ich stellte meine Teetasse auf den Tisch und schlang die Arme um Trankow. Sein Körper war schmal, die Rückenwirbel waren deutlich zu spüren, ebenso die harten Schultermuskeln. Trankow ließ die Hände über meine Wangen und meine Haare wandern, doch seine Bewegungen waren vorsichtig, als rechne er damit, dass ich mich wieder zurückzog wie beim letzten Mal. Ich schob eine Hand unter seinen Malerkittel, spürte das T-Shirt und den Gürtel seiner Hose, ließ meine Finger auf die nackte Haut gleiten, fand die Wirbelsäule und die kleine

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