Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition)
Senke an der Stelle, wo der Luchs seinen Schwanz hat. Trankow küsste mich auf den Hals, begann mir das T-Shirt auszuziehen, hielt plötzlich inne und fragte:
«Bist du sicher, dass du es willst?»
«Ja … aber nicht ohne Kondom.» Ich wollte nicht, dass es mir so erging wie damals in New York, ich wollte kein Kind, auch wenn ich dadurch mit David gleichauf wäre, ich wollte mich doppelt absichern, um keinesfalls schwanger zu werden. Waren die Kondome im Seitenfach meiner Handtasche noch brauchbar?
Juri küsste mich auf den Mund, dimmte dann mit der Fernbedienung das Licht und drückte auf einen Knopf, der die Jalousien herunterließ. Noch hatte ich Zeit, einen Rückzieher zu machen, doch das wollte ich nicht. Ich betrog ja niemanden, ich gehörte nur mir selbst, für eine Weile konnte Juri mich besitzen und ich ihn. Er kam zurück, wir zogen uns gegenseitig aus, Juri war ganz anders als der selbstsichere, forsche David, er ließ sich führen, achtete darauf, mir nicht weh zu tun, von ihm hatte ich keine Knutschflecken zu erwarten. Wie hungrig ich war, wie heftig ich mich danach gesehnt hatte, jemanden zu spüren, auf meiner Haut, auf mir, in mir … Ich setzte mich auf Juri, holte mir meinen Genuss in der Stellung, in der ich ihn am leichtesten erreichte, kam dann noch einmal, als Juri auf mir lag und mir etwas ins Ohr flüsterte, auf Russisch, es war wohl gut, dass ich es nicht verstand. Mir fiel kein einziges Wort ein, das ich ihm hätte sagen wollen, nicht Liebling, nicht Schatz – Worte waren überflüssig.
Schließlich verkrampfte sich sein Körper, seinem Mund entwich ein klagender Laut, seine Augen öffneten sich, große, dunkelblaue Augen mit langen Wimpern, in denen Tränen hingen. Ich schloss die Lider, als er zitternd auf mich sank. Zum Teufel noch mal, gehörte Trankow etwa zu den Männern, die in Tränen ausbrechen, wenn es ihnen gekommen ist? Womöglich bekam ich gleich eine weinerliche Beichte zu hören, er habe in Moskau eine Frau und zwei Kinder. Danach war mir wirklich nicht zumute.
Mein Herzschlag beruhigte sich allmählich, während Trankows Puls immer noch weit über hundert lag. Ich spürte seine Lippen auf meiner Schulter und seine feuchten Wimpern an meinem Hals. Sein Körper bebte zum Glück nicht mehr, daher wagte ich es, die Augen aufzuschlagen. Mit seinem traurigen Hundeblick erschien Trankow mir viel zu jung. Ich erinnerte mich nicht, in den Dateien der Zentralkripo sein Geburtsdatum gesehen zu haben. Andernfalls hätte ich es mir bestimmt eingeprägt, das tat man in meinem Beruf automatisch.
Ich hatte Durst, streckte den Arm nach der Tasse aus und trank den kalt gewordenen Tee. Trankow vergrub seinen Kopf an meiner Brust. Es war warm im Zimmer, das Licht war rötlich getönt wie in einer gut temperierten Hölle.
«Alles in Ordnung?», murmelte Trankow und umarmte mich.
«Ja. Ich bin nur ein bisschen ausgetrocknet», antwortete ich leichthin, schob ihn von mir hinunter, stand auf und ging mit meiner Teetasse zum Wasserhahn. Ich trank zwei Tassen Wasser, füllte die Tasse erneut, nahm sie mit zum Sofa und setzte mich neben Trankow.
«Magst du?»
Er nahm die Tasse und trank gierig. Das Kondom rutschte herunter, ein komischer Anblick. Gintare hatte nach Davids Worten sein Kondom absichtlich durchlöchert, während sich Rick nicht die Mühe gemacht hatte, nachzusehen, ob die Präser, die er bei sich trug, unversehrt waren. Sie waren es nicht. Erst als meine Blutung zum zweiten Mal ausblieb, hatte ich gemerkt, dass ich schwanger war. Bis dahin hatte ich die Unregelmäßigkeit auf die körperlich anstrengende Ausbildung an der Sicherheitsakademie zurückgeführt. Doch dann schwollen meine Brüste, und die Salamipizza, die ich so gern mochte, ekelte mich plötzlich an. Ich zögerte keinen Augenblick, als der Arzt mich fragte, wie meine Lebenssituation aussah. Die Abtreibung wurde schon kurz darauf vorgenommen, in der Akademie fehlte ich nur zwei Tage. Ich erzählte Rick nicht einmal, was passiert war, obwohl ich ihm noch ein paar Mal auf Marys Partys begegnete. Mary und er gehörten derselben Performance-Gruppe an. Gleich nach der Abtreibung ließ ich mir eine Spirale einsetzen, der ich jedoch nicht hundertprozentig traute.
Ich dachte so gut wie nie an das Kind, hatte den Klumpen, der aus mir herausgeschabt wurde, nicht sehen wollen. Es war die einzige Alternative gewesen. Immer wenn ich in amerikanischen Nachrichtensendungen Demonstrationen der Abtreibungsgegner sah,
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