Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition)
Dolfinis Leiche.»
Pah! Das hatte ich ohnehin vorgehabt, obwohl ich wusste, dass dabei Probleme entstehen würden. Mit Hauptmeister Teppo Laitio von der Zentralkripo verband mich eine seltsame Hassliebe. Es war wohl so, dass Laitio mich besser leiden konnte als ich ihn. Jedenfalls hatte ich mich maßlos geärgert, als Laitio meine Gefühle für David erriet. Menschen, die meine Maske durchschauten, waren mir unerträglich.
Da ich keinen Schlaf mehr fand, schaltete ich den Laptop an. Ich hatte mir an der Rezeption keinen Zugangscode geben lassen, aber im Zentrum von Helsinki gab es genug ungeschützte WLAN -Netze. Sie hatten ihre Risiken, doch eine Suche nach Informationen über den Geschäftsmann Usko Syrjänen war unverdächtig. Der Mann tauchte abwechselnd in den Schlagzeilen der Regenbogenpresse und in den Wirtschaftsnachrichten auf. Syrjänen hatte in den 1980 er Jahren als Autohändler sein erstes Kapital zusammengetragen und war während der Rezession Anfang der 1990 er Jahre ins Immobiliengeschäft eingestiegen. Er hatte Konkursmassen, leerstehende Büros und stillgelegte Dorfschulen aufgekauft, waghalsig wie ein Grundschüler, der zum ersten Mal Monopoly spielt, ohne das große Einmaleins und die Spielregeln zu beherrschen. Syrjänen hatte Schwein gehabt: Nach der Rezession hatte er einen Teil seiner Immobilien gewinnbringend verkauft und den Rest zur Gründung von Feriendörfern, Pflegeheimen und Karaoke-Bars genutzt. Den Gutshof Hiidenniemi bei Kotka hatte er meiner damaligen Arbeitgeberin Anita Nuutinen vor der Nase weggeschnappt, und derzeit plante er, den hermetisch von der Außenwelt abgeschirmten Privatclub, der dort entstanden war, zu erweitern. Leider weigerten sich die Nachbarn, ihm ihr Land zu verkaufen. Im Interview einer Lokalzeitung, auf das ich bei meiner Recherche stieß, klagte Syrjänen, in Finnland fehle ein All-inclusive-Feriendorf, in dem internationale Superstars ebenso wie die finnischen Reichen und Schönen ihre Freizeit verbringen konnten, ohne von neugierigen Mitbürgern belästigt zu werden. Syrjänen meinte, viele wohlhabende Zeitgenossen seien bereit, aus Rücksicht auf die Umwelt ihren Urlaub im eigenen Land zu verbringen, statt in die Provence oder in die Karibik zu düsen, sofern ihre Anonymität gewahrt bliebe. Er wusste, wovon er sprach: An seinem Swimmingpool hatten sich im Laufe der Jahre viele bildschöne junge Frauen geaalt, die die Bekanntschaft des Multimillionärs nur gesucht hatten, um ihn zu erpressen. Offenbar hatte Syrjänen aus seinen Fehlern gelernt und legte nun Wert auf seine Privatsphäre. Im Herbst des Vorjahres war er von seiner zweiten Frau geschieden worden. Auf Webseiten, die vor ein paar Wochen aktualisiert worden waren, wurde erstmals eine neue Liaison erwähnt. Es handelte sich um ein achtundzwanzigjähriges russisches Fotomodell namens Julia; ihr Nachname wurde nicht genannt.
Über die Ereignisse, die zur Sprengung seiner Yacht
I believe
und zum Tod seines Geschäftspartners Boris Wasiljew geführt hatten, bewahrte Syrjänen Stillschweigen. Er finanzierte großzügig Wahlkampagnen diverser führender Politiker und war mit vielen von ihnen, unter anderen mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten, befreundet. Sie hatten ihn wohl davon überzeugt, dass es im sicherheitspolitischen Interesse des Landes lag, dem einfachen Volk zu verheimlichen, was hinter den Kulissen geschah, da die Notwendigkeit mancher Maßnahmen dem Stimmvolk ohnehin nicht verständlich wäre.
Wann mochten Syrjänens Kopparnäs-Notizen entstanden sein? Dass das Dokument in diesem Frühjahr auf den USB -Stick gespeichert worden war, sagte nichts über sein Alter aus. David hatte in Hiidenniemi als Leibwächter und Chauffeur für Boris Wasiljew gearbeitet, konnte das Dokument also vor zwei Jahren dort gescannt haben. Als ich ihm in Kopparnäs begegnet war, hatte ich geglaubt, er verfolge nur mich, aber offenbar hatte er noch einen weiteren Grund gehabt, das Gelände zu erkunden. Ich prüfte nach, ob Syrjänens Firma in den letzten Jahren ein neues Logo lanciert hatte. Nein, die Säule mit den drei Linien war seit 1986 nicht verändert worden. Inzwischen war sie beinahe Retro-Look.
Syrjänen hatte David gekannt … Lebte er in dem Glauben, David sei bei der Explosion auf der
I believe
ums Leben gekommen? Über Davids Mission waren in Finnland nur einige Personen informiert gewesen. Ich wusste, dass von Spitzenpolitikern Verschwiegenheit erwartet wurde, aber es konnte wohl vorkommen,
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