Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition)
leicht zu erkennen. Sie klang noch angespannter als beim vorigen Mal, als er geglaubt hatte, mit David zu sprechen.
«Wem schadet das denn? Ich tue meine Arbeit genauso gut, wenn nicht sogar besser als mancher, der im Hauptquartier herumhockt.»
«Darum geht es hier nicht. Es geht darum, dass sich ein Polizist an die Regeln halten muss.»
«Ich kannte das Polizeigesetz schon auswendig, bevor du geboren warst, verdammt noch mal!»
«Weg mit der Zigarre! Der Rauch löst die Sprinkler aus.»
«Hast du Angst davor, dass dein Anzug nass wird und einläuft? Keine Sorge, ich zünde das Ding nicht an, ich kenne euer Gesetz. Und jetzt verschwinde, du Kuhfladen!»
Es polterte, als wäre ein Stuhl umgekippt. Oder als würde jemand angegriffen. Wenn Laitio Rytkönen eigenhändig aus seinem Dienstzimmer warf, war er seine Stelle bei der Zentralkripo los.
«Worüber regst du dich denn so auf, dass du gegen die Möbel rennst?» Nun klang Laitio amüsiert.
«Du sollst deine Vorgesetzten nicht verunglimpfen!»
«Sprich nicht im Plural von dir. Außerdem verunglimpfe ich keine Männer, sondern nur machtgierige kleine Jungs. Geh ruhig und beschwer dich beim Chef. Der hat dieses Zigarren-Arrangement selbst abgesegnet. Du siehst doch, dass ich sogar am Wochenende zur Arbeit komme, wenn man mich ruft. Ich bin ein Ganztagskriminalist und rechne keine Überstunden ab wie gewisse Leute.»
Wieder war ein Poltern zu hören, dann lautes Türknallen. Und Gelächter, Laitios heiseres, boshaftes Lachen. Ich sah geradezu vor mir, wie sein Schnurrbart zitterte und die kalte Zigarre in seinem Mundwinkel wackelte.
«Bist du noch dran, Ilveskero? Hast du alles gehört?»
«Zweimal ja.»
«Der Stinkstiefel droht mir mit der Kündigung, wenn ich nicht wieder ganztags im Hauptquartier arbeite. Mal sehen, wer gewinnt.»
«Ist Rytkönen jemals David Stahl begegnet?»
«Rytkönen? Nicht, dass ich wüsste, aber mir erzählt man ja nichts mehr. Vergiss diesen Stahl doch endlich. Wenn er nicht schon von den Würmern gefressen wird, treibt er ein Spiel, in das Leute wie wir uns besser nicht einmischen. Oder interessiert dich –»
«Hör auf!», rief ich. Laitio war wieder drauf und dran, sich zu verplappern. In seinem Dienstzimmer bei der Zentralkripo gab es mit Sicherheit eine Überwachungsanlage, auch wenn er selbst vielleicht nichts davon ahnte, und wenn die Berichte, die er mir zugespielt hatte, ihm offiziell nicht zugänglich waren, flog sein Manöver auf, sobald seine Vorgesetzten erfuhren, dass er über Stahls krumme Geschäfte mit dem Isotop informiert war.
«Du hast recht. Es wird höchste Zeit, dass ich Stahl vergesse», behauptete ich. Daraufhin erklärte Laitio, er gehe jetzt an den Fluss und rauche seine Zigarre, Dienstzeit hin und her.
Ich kehrte ins Restaurant zurück und packte die Blumen ein. Wir hatten mit Monika vereinbart, die Sträuße an ein Altenzentrum und ein Seniorenwohnheim zu verschenken, und der Transport war meine Aufgabe. Ich hatte in meinem Leben schon vieles getan, aber Blumenbotin war ich noch nie gewesen. Nebenbei überlegte ich, ob ich Laitio darüber aufklären sollte, dass Rytkönen hinter dem Decknamen Kass steckte, obwohl ich ihm dann auch gestehen musste, dass ich ihm bisher nicht alles erzählt hatte, was mit Dolfinis Tod zusammenhing. Ich schob die Entscheidung auf. Falls Laitio Daumenschrauben brauchte, um Rytkönen die Finger zu brechen, würde ich sie ihm liefern.
Das schöne, sonnige Wochenende stand im Zeichen der Arbeit im Restaurant; erst am Dienstag, als das Sans Nom nach der Mittagszeit schloss, hatte ich Gelegenheit zu einem längeren Jogging. Ich lief zuerst zum Westhafen, dann am Markt Hietalahti vorbei und am Ufer entlang zum Kaivopuisto-Park. An den Bäumen hing noch buntes Laub, das Meer war kaltblau, es lud nicht mehr zum Schwimmen ein. Die dünnfelligsten Hunde trugen bereits Wollwesten, und die Kohlmeisen suchten in den Parks nach Wintervorräten. Onkel Jari hatte immer streng darauf geachtet, die Vögel nicht zu füttern, bevor die Erde völlig gefroren war.
«Sonst gewöhnen sie sich daran, mühelos an Nahrung zu kommen, und verlernen, selbst danach zu suchen. Es ist nicht gut, wenn sich der Mensch zu sehr in den Lauf der Natur einmischt», sagte er häufig. Dabei hatte er selbst ein verwaistes Luchsjunges aufgezogen. Natürlich wäre Frida ohne die Fürsorge meines Onkels gestorben, aber seine Lehren waren eben nicht immer logisch. Sie wurden wohl in aller Regel von Liebe
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