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Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition)

Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition)

Titel: Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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zurück.
    «Es wird Zeit, dass du mich nach Helsinki bringst – oder wenigstens nach Kirkkonummi.»
    «Warum so eilig? Lass uns lieber auf dem Sofa eine kleine Verdauungspause einlegen und dann weitermalen.»
    Trankow war ein gutaussehender junger Mann, der hinreißend lächeln konnte, wenn er wollte. An seinem schlanken Körper war nichts auszusetzen. Vermutlich verbargen sich unter dem Malerkittel und dem weißen T-Shirt gut trainierte Bauchmuskeln. Ich machte einen Schritt nach vorn. Meine Arme legten sich wie von selbst um Trankow. Ich presste meine Wange an seine, die sich glatt und warm anfühlte. Wie einsam war ich seit April gewesen, ohne Berührung, ohne die Haut eines anderen. Trankow war nicht David, niemand würde mir David jemals ersetzen, aber warum auch? Konnte ich nicht einfach einen neuen Anfang machen? Ich ließ zu, dass Trankow mich küsste, er tat es vorsichtig und tastend, als fürchte er, dass ich beißen würde, wenn er zu heftig war. Ich schlang die Arme um ihn, schnupperte und schmeckte, prüfte, was ich empfand. Meine Augen hatten sich wie von selbst geschlossen, als versuchten sie noch, mir zu verheimlichen, wen ich küsste, wem ich erlaubte, meinen Po zu streicheln und die Lippen über meinen Hals zum Schlüsselbein gleiten zu lassen. Juri Trankow. Der Mann, vor dem Laitio mich mehr als einmal gewarnt hatte.

16
    Der Gedanke an Laitio riss mich aus dem Bann. Ich löste mich aus Trankows Umarmung und fragte, ob er mich fahren würde oder ob ich ein Taxi bestellen sollte. Es wunderte mich ein wenig, dass er keine Einwände erhob, sondern lammfromm versprach, mich nach Helsinki zu bringen. Ich sagte erneut, mir genüge es, in Kirkkonummi abgesetzt zu werden, dort könne ich den Bus oder den Zug nehmen. Im Wagen war Trankow überraschend still. Erst als wir die Hirsalantie erreichten, fragte er plötzlich:
    «Wie geht es der Abgeordneten?»
    «Helena Lehmusvuo? Woher soll ich das wissen? Wahrscheinlich steckt sie im Wahlstress.»
    «Sie war sehr erschrocken, als sie mich bei der Eröffnungsfeier gesehen hat.»
    «Mit gutem Grund. Du hast sie betäubt und entführt. Hast du das schon vergessen?»
    «Das war nicht persönlich gemeint. Ich wollte nur herausfinden, wie viel sie wusste. Wenn du ihr noch einmal begegnest, richte ihr aus, dass es mir leidtut. Hättest du dich nicht eingemischt, hätten wir sie unversehrt wieder nach Hause gebracht.»
    So war das also. Wenn Trankow auf die Idee käme, mich zu betäuben oder mit einer Eisenstange zu traktieren, wäre auch das nichts Persönliches, sondern eine Notwendigkeit, die man ihm nicht übelnehmen durfte. Mike Virtue hatte uns einen Vortrag über die interne Moral krimineller Organisationen in verschiedenen Ländern gehalten. Vermutlich hatte Trankow seine ureigene, in Workuta und Moskau geprägte Definition dafür, welche Mittel der Zweck heiligte.
    «Wann stehst du mir wieder Modell? Den Hintergrund kann ich natürlich ohne dich malen, aber ich brauche noch eine zweite Sitzung mit dir.»
    «Ich weiß im Moment nicht, wann ich das nächste Mal freihabe, aber ich rufe dich an. Versprochen.»
    «Sieh zu, dass du dein Versprechen hältst. Sonst komme ich dich holen.» Trankow nahm die rechte Hand vom Lenkrad und streichelte meinen Oberschenkel. Ich schob seine Hand fort und wies ihn darauf hin, dass die finnische Polizei darüber wachte, ob sich Autofahrer ganz auf das Fahren konzentrierten. Juri lachte nur. Er brachte mich zum Bahnhof von Kirkkonummi, wo der Schnellzug von Turku nach Helsinki gerade passend hielt. Trankow begleitete mich an den Zug und küsste mich zum Abschied auf beide Wangen. Ich setzte mich auf den ersten freien Fensterplatz und sah, dass Trankow auf dem Bahnsteig stehen geblieben war. Als der Zug anfuhr, warf er mir eine Kusshand zu. Ich erwiderte sie nicht.
    Während ich zu Hause meine Glock im Schrank einschloss, überlegte ich, wie lange ich den Waffenschein wohl noch behalten durfte, da ich bei meiner derzeitigen Arbeit keine Waffe benötigte und auch keine Sportschützin war. Jedenfalls würde ich bald einmal zum Schießstand gehen müssen, um nicht völlig aus der Übung zu kommen.
    Monika war noch im Sans Nom, sie würde bis zum Ende der Abendschicht bleiben. Im Restaurant war bisher alles reibungslos gelaufen: keine unangenehmen Gäste, keine Drohanrufe, keine anonymen Briefe. Niemand hatte Schutzgeld gefordert oder behauptet, das Essen sei verdorben. Ich wusste, dass mir diese Ereignislosigkeit bald langweilig

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