Der Löwe der Gerechtigkeit (German Edition)
der Akademie. Herzlich willkommen!» Mike stand auf und gab mir die Hand, und ich lächelte einer finnischen Redewendung gemäß breit wie ein Keks aus Hanko. Erst später dankte ich meinem Schicksal dafür, dass sich Mike in der finnischen Geschichte nicht auskannte; der berühmte Spruch stammte nämlich keineswegs von Runeberg, sondern von A. I. Arwidsson, einem Pionier der finnischen Nationalbewegung.
Auch das Bad beruhigte mich nicht. Ich spielte mit dem Gedanken, Monika abzuholen, schaltete aber stattdessen den Computer an. Mit Laitios Passwort loggte ich mich bei der Zentralkripo ein, ohne recht zu wissen, was ich suchte. Ich gab David Stahl als Suchbegriff ein, dann Daniel Lanotte, erhielt aber weder unter dem einen noch unter dem anderen Namen Treffer. Was würde ich wohl finden, wenn ich Zugang zu Rytkönens Rechner hätte? Als Nächstes probierte ich es mit Carlo Dolfini. Das Schicksal des schuhlosen Mannes beschäftigte mich auch nach einem halben Jahr noch.
Bingo! Über Dolfini gab es einen kompletten Bericht. «Dolfini, Carlo Pietro Giovanni. Geboren am 4 . 4 . 1969 in Rom. Umzug nach Lago di Scanno in den Abruzzen 2005 . Offizieller Beruf Bäcker. Hat sowohl in Trastevere als auch in Scanno eine Bäckerei betrieben. Familie: Ehefrau Rosa, keine Kinder. (Jedenfalls nicht mit Rosa, über uneheliche Kinder ist nichts bekannt.) In Rom Verbindung zur Mafia, Umzug nach Lago di Scanno Flucht? (Keine gesicherten Informationen.) Reiste nach Aussage seiner Frau im Frühjahr nach Amerika, nach Auskunft der Nachbarn folgte ihm die Frau. Einreise in die USA nicht registriert.»
Bei den nächsten Worten wurde mir eiskalt ums Herz.
«Eine halb verweste Leiche, auf die die Kennzeichen von Carlo Dolfini passen, wurde am achtzehnten Oktober bei Grabungsarbeiten im Sumpf von Maremma gefunden. Der Mann war erschossen worden. Frau Dolfini nicht zu erreichen. Die Verwandten wissen nichts von dem Ehepaar. Die Carabinieri untersuchen (angeblich!!!) Dolfinis Tod. Tun sie garantiert nicht.»
Aus den letzten Sätzen schloss ich, dass der Bericht von Laitio selbst stammte. Hatte er die Informationen gerade erst von seinem italienischen Kollegen Caruso bekommen? Warum hatte er mir nichts davon gesagt?
Die Antwort gab ich mir selbst: um mich zu schützen. Er hielt es für besser, dass ich David Stahl vergaß.
Natürlich war demjenigen, der Dolfinis Leiche in Montemassi hinterlassen hatte, bekannt gewesen, dass David nicht allein in dem Haus wohnte. Dafür, dass ich unbehelligt nach Finnland hatte zurückkehren können und auch danach unbehelligt geblieben war, gab es zwei mögliche Erklärungen: Entweder hatte ich nichts gesehen, was dem Mörder gefährlich werden konnte, oder David selbst war der Mörder. Aber warum hatte sein Handy in Dolfinis Jackentasche gesteckt?
Ich wurde nicht schlau aus dem Ganzen, alle Antworten waren falsch. Akzeptier es, Hilja. Finde dich damit ab, dass du die Wahrheit nie erfahren wirst, sagte der vernünftigere Teil meines Ichs. Er war allerdings nie besonders stark gewesen.
Als ich Monika in der Küche klappern hörte, schaltete ich den Computer aus. Sie fragte, wie ich meinen freien Tag verbracht hatte, ich sprach vage von einer Wanderung, wobei mir die Ohren glühten. Als ich mich ins Bett legte und die Augen schloss, sah ich nackte Füße vor mir, die aus einem Morastloch ragten. Ich hörte eine Frauenstimme: Wo bist du, Carlo? Bei einer Frau? Wie bald danach war Rosa Dolfini «nach Amerika gereist»? Die beiden waren Fremde für mich, und wenn Carlo Dolfini tatsächlich für die Mafia gearbeitet hatte, war ihm klar gewesen, welches Risiko er einging.
Ich hasste mich selbst, als ich überlegte, ob David den fast vollen Mond auch sehen konnte, der mir so hell in die Augen schien, dass ich aufstehen und die Vorhänge schließen musste. Auf der Straße war nur ein einziger Passant unterwegs, ein kleiner, gedrungener Mann, der unter meinem Fenster passenderweise den Kopf drehte, sodass ich sein Gesicht sehen konnte. Es war Kommissar Martti Rytkönen von der Zentralkripo.
Am nächsten Morgen sah ich ein, dass ich Rytkönens Auftauchen nicht überbewerten durfte. Dass er mitten in der Nacht über die Kreuzung von Yrjön- und Eerikinkatu spazierte, musste nicht unbedingt etwas mit mir zu tun haben. Dennoch fiel es mir schwer, mich auf meine Arbeit zu konzentrieren. Auf der Fahrt nach Veikkola, wo ich biologisch angebautes Wurzelgemüse holen sollte, überlegte ich, ob Davids Familie
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