Der Löwe
versuchen, sie hierzubehalten, bis ihr Mann und ihr Angreifer ihre letzte Begegnung hinter sich hatten.
Russische Nachtclubs öffnen spät, und ich wäre bei Kate geblieben, bis die Besuchszeit vorüber war, aber sie sagte, sie sei müde – oder meiner müde –, deshalb gab ich ihr einen Abschiedskuss und sagte: »Versuch dich ein bisschen auszuruhen.«
»Was kann ich hier denn sonst tun?«
»Denk drüber nach, was Khalil vorhaben könnte.«
»Ich denke bereits. Wohin gehst du jetzt?«, fragte sie mich.
»Zu dem einzigen Ort, zu dem ich gehen darf. Heim.«
»Gut.« Sie lächelte und sagte: »Treib dich nicht in Clubs herum. «
Komisch, dass du das sagst.
»Sei vorsichtig, John.« Sie drückte meine Hand und sagte: »Ich liebe dich.«
»Ich dich auch. Bis morgen früh.«
Ich verließ ihr Zimmer und plauderte mit Kates NYPD-Bewacherin, einer gewissen Mindy, die mir versicherte, sie sei
sich bewusst, dass Kates Angreifer nicht der übliche dumme Kriminelle sei und dass nicht einmal Conan der Barbar auf diese Etage gelangen würde – und wenn doch, käme er nicht an Mindy Jacobs vorbei.
Über Conan den Barbar machte ich mir weniger Gedanken als darüber, dass sich Asad das Arschloch in einer Kiste Klistiere oder so was Ähnlichem hier abliefern lassen könnte.
Ich sagte Mindy gute Nacht, ging durch die Station und bemerkte die geschlossenen und verriegelten Zimmertüren und die uniformierten und bewaffneten Männer und Frauen von der Justizvollzugsbehörde.
Wenn ich Asad Khalil wäre, würde ich dann hier reinkommen und zu Kate gelangen? Nun ja, ich würde mich zunächst mal ins Gefängnis werfen lassen, ohne dass jemand weiß, wer ich bin, dann würde ich eine schwere Krankheit vortäuschen, damit ich ins Bellevue käme, hinter eine verriegelte Tür. Danach hätte Asad Khalil keine Mühe, aus dem Zimmer und zu Kate zu gelangen.
Aber ich sollte ihm keine übernatürlichen Kräfte zuschreiben. Außerdem wusste er nicht, dass Kate hier war.
Ich fuhr mit dem Aufzug nach unten und traf mich mit meinem Geleitschutz in der Lobby – nach wie vor die Officers Ken Jackson und Ed Regan, die meiner ebenso überdrüssig sein mussten wie ich ihrer.
Innerhalb von fünfzehn Minuten war ich wieder in meinem Apartmentgebäude an der East 72 nd Street.
In der Lobby war ein Aufpasser, der Detective Ramos, dem Bagellieferanten, sehr ähnlich sah. Ich blieb stehen und plauderte einen Moment lang mit Ramos, dann ging ich zu dem Schalter, an dem Alfred Zeitung las.
Er legte die Zeitung hin – das Wall Street Journal ; die Tipps mussten gut sein – und fragte: »Wie geht es Mrs Corey?«
»Viel besser, danke. Ich habe vergessen, meine Autoschlüssel abzuholen«, sagte ich.
»Ich habe sie hier.« Er öffnete eine Schublade und holte meine Schlüssel heraus.
»Ich brauche ein paar Sachen aus dem Lagerraum«, erklärte ich ihm, »deshalb leihe ich mir den Schlüssel für den Lastenaufzug, wenn Sie nichts dagegen haben.«
»Ja, Sir.« Er holte den Schlüssel für den Lastenaufzug heraus und legte ihn auf den Schalter, worauf ich ihn für den Fall, dass Detective Ramos zusah, mit der Hand nahm, in der ich bereits meine Autoschlüssel hatte. Ich wünschte Alfred einen schönen Abend und ging zu den Aufzügen, die zu den Apartments führten.
Wenn man hier rauswollte, ohne durch die Lobby zu gehen, musste man über die Feuertreppe, aber in jedem Treppenhaus waren Überwachungskameras, und der Monitor stand am Schalter, wo Ramos oder jemand anders sehen konnte, wer dort war – oder sich hinterher die Videoaufnahmen anschauen konnte. Der Lastenaufzug hingegen wurde nicht überwacht, und er führte ins Parkhaus hinunter, wo ich in Kürze hinwollte.
Ich fuhr hinauf zu meinem Apartment, wo ich bereits meine Garderobe für den russischen Nachtclub herausgesucht hatte.
36
I ch hatte einen dunkelgrauen Anzug und einen grauen Schlips herausgelegt, die ich für gewöhnlich bei Hochzeiten und Beerdigungen trage, dazu ein Seidenhemd und Diamantmanschettenknöpfe, die mir meine Ex geschenkt hatte. Meine Schuhe waren echte italienische Gravatis, und meine Uhr war eine Rolex Oyster, die eine alte Freundin für vierzig Piepen auf der Straße gekauft hatte und die möglicherweise nicht echt war. Zur Vervollständigung meiner Garderobe schlüpfte ich in meine Kevlarweste, vergaß diesmal allerdings mein Mikro und den Peilsender. Ich machte mich fertig, nahm meine Glock und musterte mich im Spiegel. Russenmafia? Italienische Mafia?
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