Der Löwe
die Ohren flogen, das Beste getan, was wir konnten.«
Sie erwiderte nichts darauf, aber im Grunde genommen war ich froh, dass sie das Thema anschnitt. Tatsache war, dass Kate und ich zu den Letzten gehörten, die mit Asad Khalil konfrontiert gewesen waren – obwohl wir ihn eigentlich gar nicht gesehen hatten; er übte mit einem Scharfschützengewehr
Zielschießen, und wir waren die Schießscheiben. Aber auch wenn er, was die Feuerkraft anging, im Vorteil war, gab es ein paar Dinge, die wir – ich – hätten tun können, um ihn dranzukriegen. Und ich nehme an, das machte ihr immer noch zu schaffen – und mir.
»Niemand anders hat das jemals angesprochen«, erinnerte ich sie. »Nie wurde irgendwas gesagt. Also sei nicht strenger zu dir – oder zu mir –, als es unsere Bosse waren.«
Wieder erwiderte sie nichts, aber ich war mir nicht sicher, ob das, was ich gesagt hatte, auch stimmte. Tatsache war, dass wir Khalils Akte niemals zu Gesicht bekommen hatten und sie auch nie in die Finger bekommen würden. Und es gehörte nicht allzu viel dazu, sich vorzustellen, dass John Corey und Kate Mayfield als Sündenböcke sehr gelegen kamen. Und vielleicht hatte Walsh genau das gelesen.
Im Polizeidienst denkt man an einen, der einem durch die Lappen gegangen ist, mehr als an alle Erfolge. Und man denkt noch mehr daran, wenn derjenige, der einem durch die Lappen gegangen ist, zurückkehrt.
Sie sagte zu mir: »Wir haben jetzt die Chance … es zu Ende zu bringen.«
»Richtig. Wie ich Khalil schon vor drei Jahren am Handy erklärt habe – ich freue mich aufs Rückspiel«, erinnerte ich sie.
Mir wurde klar, dass ich etwas zu Boris sagen musste, bevor Kate daran dachte und Boris gegenüber Tom erwähnte. Ich fing damit an, indem ich sie fragte: »Hast du Tom von unserer Fahrt nach Langley erzählt, nachdem Khalil entwischt war?«
Sie schwieg ein paar Sekunden, dann sagte sie: »Nein … ich hatte die Besprechung mit Boris vergessen. Ich werde Tom sagen – «
»Nein, wirst du nicht.«
»Wieso nicht?«
»Nun ja … Ich würde gern die Anerkennung für diesen Hinweis
einheimsen. Ich kann jede Anerkennung gebrauchen, die ich kriege«, erinnerte ich sie.
Sie dachte darüber nach und kam zu einem anderen Schluss. »Ich hoffe doch, du machst hier nichts im Alleingang.«
»Was meinst du damit?«, fragte ich sie.
»Du weißt genau, was ich meine, John. Das ist jedes Mal so«, erinnerte sie mich.
»Das stimmt nicht.« Ich mache es nur, wenn ich kann.
»Du hast immer dieses Bedürfnis, etwas für dich zu behalten, wenn du glaubst, dass es dir Macht oder so was Ähnliches verschafft, und dann kommst du mit einem Mal damit an und zeigst allen – «
»Moment. Ich bin nicht der Einzige an der Federal Plaza 26, der Sachen für sich behält.«
»Darum geht es nicht. Es geht darum, dass du die Pflicht hast, deine Vorgesetzten in alles einzuweihen, was du weißt – «
»Und das werde ich auch tun.« Aber nicht heute. »Erstens«, sagte ich, »bin ich mir nicht sicher, ob Boris irgendwas zur Lösung dieses Falles beitragen kann. Und zweitens wissen du und ich nichts über Boris, nicht einmal seinen Nachnamen, wie könnte ich ihn also auf eigene Faust ausfindig machen? Schon aus diesem Grund werde ich Tom Walsh diese Information mit Sicherheit zukommen lassen, und er kann Boris in ein paar Stunden ausfindig machen – wenn er noch am Leben ist.«
Sie dachte darüber nach und sagte: »Khalil wird sich Boris vornehmen.«
»Richtig.« Und ich fügte hinzu: »Vielleicht hat er’s schon getan. «
Sie nickte. »Ich kann mich noch an unser Gespräch mit ihm erinnern … Ich hatte den Eindruck, dass Boris sich darüber im Klaren war, dass er ein Monster erschaffen hat.«
Ich pflichtete ihr bei und sagte: »Boris hatte jede Menge Material, mit dem man arbeiten könnte.«
Kate war noch dabei, darüber nachzugrübeln. »Wir könnten Boris benutzen, um Khalil eine Falle zu stellen.«
»Könnten wir.«
Ein Krankenpfleger kam vorbei und brachte die Speisekarte fürs Abendessen. Kate checkte ein paar Gerichte, reichte die Karte dann mir und schlug vor: »Bestell irgendwas.«
Ich sah, dass es Multikultiküche war – halb Gefängnis, halb Krankenhaus. »Das ungelöste Mordfallfleisch sieht gut aus«, sagte ich.
»Nicht komisch.«
Sicherheitsverwahrungssalat?
Ich passte, und wir sahen eine Weile fern und redeten, bis ihr Essen kam.
Rein medizinisch gesehen könnte sie in ein paar Tagen rauskommen, aber Walsh würde
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