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Der Löwe

Der Löwe

Titel: Der Löwe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson DeMille
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fuhr auf der 72 nd weiter, während er das Spiel der Mets einschaltete. »Sind Sie für die Mets oder die Yankees?«, fragte er mich.
    »Mets«, log ich.
    Gomp war ein typischer alter New Yorker, samt Akzent und allem, was dazugehört, und mir wurde klar, dass sie jedes Jahr weniger wurden, und ich sehnte mich nach der alten Zeit, als das Leben einfacher und dämlicher war.
    Nach wenigen Minuten waren wir an der Lexington Avenue, Ecke 68 th Street. »Hier steige ich aus«, sagte ich.
    Er hielt an und sagte: »Wenn Sie ’ne Fahrgelegenheit brauchen, Tom, können Sie jederzeit im Parkhaus nach mir suchen.«
    »Danke. Morgen vielleicht. Zum Urologen.«
    Ich stieg aus und lief die Treppe zur U-Bahn-Station Lexington Avenue hinab. Ich zog den Streckenplan zu Rate, ging mit meiner Metrokarte durchs Drehkreuz und fand meinen Bahnsteig.
    Für die Bewohner von Manhattan liegt Brighton Beach irgendwo diesseits von Portugal, aber die Linie B fuhr hin, und die würde ich nehmen.
    Der Zug kam, und ich stieg ein, stieg wieder aus und stieg noch mal ein, als sich die Türen schlossen. Ich habe das mal im Kino gesehen. Das Arschloch, das mir vor fünf Jahren gefolgt war, musste es auch gesehen haben.
    Um die lange U-Bahn-Fahrt kurz zu machen: Knapp eine Stunde, nachdem ich in den Zug gestiegen war, waren wir auf
dem überirdischen Streckenstück unterwegs, hoch über der Wildnis von Brooklyn. Ich dachte daran, wie ich diese Linie als Kind von unserer Wohnung an der Lower East Side nach Coney Island genommen hatte, als Coney Island mein verzaubertes Sommerkönigreich gewesen war. Ich erinnerte mich auch, dass ich mein ganzes Geld für Spielautomaten, Karussells und Hotdogs ausgegeben hatte und einen Cop um Fahrgeld für die U-Bahn nach Hause anbetteln musste.
    Mit Geld kann ich immer noch nicht umgehen, und John Corey baut nach wie vor Mist, aber der Cop, an den ich mich jetzt wende, wenn ich Hilfe brauche, bin ich selber. Großwerden ist Scheiße.
    Ich stieg an der Station Ocean Parkway aus und lief die Treppe zur Brighton Beach Avenue hinauf, die unter den Hochbahngleisen verläuft. Nach diesen ganzen Flucht- und Ausweichmanövern und einer langen U-Bahn-Fahrt sollte Boris gefälligst am Leben und in seinem Nachtclub sein, verdammt noch mal – oder zumindest in seinem Apartment, das nicht allzu weit von hier entfernt war. Das Gute war, dass die FBIler, falls sie mir gefolgt waren, vermutlich immer noch an der Station 68 th Street waren und versuchten, die Metrokarten ins Drehkreuz zu kriegen. Und wenn mir ein NYPD-Detective aus meinem Überwachungsteam folgte, hätte ich ihn sicher schon bemerkt.
    Ich war seit etwa fünfzehn Jahren nicht mehr in Brighton Beach gewesen und vorher nur ein paarmal mit Dick Kearns und einem russisch-amerikanischen Cop namens Ivan, der hier geboren war, die Gegend kannte und die Sprache beherrschte. Von allen ethnischen Enklaven in New York ist das hier eine der interessantesten und am wenigsten vom Tourismus geprägten. Ich würde sagen, die Gegend war echt, aber sie hatte auch etwas Unwirkliches an sich.
    Ich ging auf der Avenue in Richtung Osten und erkundete sie. Jede Menge Autos, jede Menge Leben auf der Straße. Ein Typ
verkaufte an einem Tisch am Straßenrand russischen Kaviar für zehn Dollar pro dreißig Gramm. Klasse Preis. Keine Fixkosten und kein Zwischenhändler. Auch kein Kühlschrank.
    Ich kam zur Brighton 4 th Street und hielt mich in Richtung Süden, zum Ozean, den ich bereits riechen konnte.
    Die Leute auf der Straße wirkten wohlgenährt. Hier herrschte kein Hunger. Was ihre Kleidung anging … nun ja, sie war interessant. Alles Mögliche, von teuren Anzügen, wie ich einen trug, bis zu falschen Designerklamotten, dazu jede Menge alte Frauen, die ihre Kleidung aus dem Mutterland mitgebracht hatten. Trotz der milden Witterung trugen ein paar Typen Pelzmützen, und viele der älteren Frauen hatten Tücher um den Kopf gebunden. Außerdem hing die Luft voller unbekannter Gerüche. War ich mit der U-Bahn zu weit nach Osten gefahren? Ich fragte mich, ob das Ganze eine gute Idee gewesen war. Ich meine, es war mir wie eine gute Idee vorgekommen, als ich in Manhattan daran gedacht hatte. Jetzt war ich mir dessen nicht mehr so sicher.
    Zunächst einmal machte ich mir Gedanken, dass ich einen guten Ansatzpunkt verspielen könnte. Es ist okay, wenn man im Dienst ist und etwas geht schief. Aber wenn man auf eigene Faust unterwegs ist und eine Ermittlung vermasselt, steckt man schnell so tief

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