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Der Löwe

Der Löwe

Titel: Der Löwe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson DeMille
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uns beide anging.
    Ich dachte an meine und Kates Stunde mit Boris in der CIA-Zentrale
und entsann mich, dass ich meine liebe Mühe hatte, mich damit abzufinden, dass dieser nette Mann Asad Khalil des Geldes wegen ausgebildet hatte. Kate und ich waren Produkte unserer Erziehung und Herkunft aus der Mittelschicht, Polizist und FBI-Agentin – und Boris’ amoralische Welt der internationalen Machenschaften, des Doppelspiels und Mordens entsprach nicht dem, wie wir lebten und arbeiteten. Die CIA hingegen schien keinerlei Probleme mit Boris’ Vergangenheit zu haben. Er gehörte zu ihrer Welt, und die CIA urteilte nicht nach moralischen Gesichtspunkten; dort war man einfach froh, dass man ihn als singenden Überläufer hatte.
    »Worüber denken Sie nach?«, fragte mich Boris.
    »Über unser Gespräch in Langley.«
    »Ich habe das genossen.« Und er fügte hinzu: »Ich war mir sicher, dass ich Sie wiedersehen würde – wenn Ihnen nichts zustößt. «
    Ich ließ das auf sich beruhen und ging weiter im Zimmer herum. An der einen Wand hing ein altes Sowjetplakat mit einer Karikatur von Uncle Sam, der aus irgendeinem Grund weniger angelsächsisch und eher jüdisch aussah. Sam hatte in der einen Hand einen großen Geldsack und in der anderen eine Atombombe. Er hockte rittlings auf der Erdkugel und hatte seine Stiefel auf den Nacken der armen Eingeborenen aus aller Welt gestellt. Die Sowjetunion – CCCP – war von amerikanischen Raketen umstellt, die alle aufs Mutterland gerichtet waren. Ich konnte den russischen Bildtext nicht lesen, und die Ikonographie war mir ein bisschen zu subtil, aber ich glaube, ich hab’s kapiert.
    Er sah, wie ich das Poster musterte, und sagte: »Ein bisschen Nostalgie.«
    »Die Nostalgie ist auch nicht mehr das, was sie mal war«, erwiderte ich. »Lassen Sie sich von mir einen Druck von Norman Rockwell besorgen.«

    Er lachte, dann sagte er: »Einige meiner amerikanischen Freunde finden das Plakat noch immer anstößig.«
    »Ich kann mir gar nicht vorstellen, warum.«
    »Der Kalte Krieg ist vorbei«, erinnerte er mich. »Ihr habt gewonnen. Diese Plakate sind ziemlich teuer, wenn sie echt sind«, erklärte er mir. »Das hier hat mich zweitausend Dollar gekostet.«
    »Nicht viel Geld für einen erfolgreichen Unternehmer«, wandte ich ein.
    Er pflichtete mir bei. »Ja, ich bin jetzt ein Kapitalistenschwein mit einem Geldsack in der Hand. Das Schicksal ist sonderbar.«
    Er zündete sich eine weitere Zigarette an, bot mir aber diesmal eine an, die ich ablehnte. »Wie haben Sie mich gefunden?«, fragte er mich.
    »Boris, ich arbeite fürs FBI.«
    »Ja, natürlich, aber meine Freunde in Langley haben mir versichert, dass alle Informationen über mich geheim sind.«
    »Möglicherweise schockiert Sie das, aber die CIA lügt«, erwiderte ich.
    Das entlockte uns beiden ein Lächeln.
    Dann wurde er wieder ernst und sagte: »Und jede Auskunft über mich darf nur an jemanden erfolgen, der Bescheid wissen muss.« Er nahm einen Zug und fragte: »Was müssen Sie also wissen, Mr Corey?«
    »Nennen Sie mich bitte John«, erwiderte ich.
    »John. Was müssen Sie wissen?«
    »Nun ja, ich bin froh, dass Sie das fragen.« Ich wechselte das Thema und meine Taktik und sagte: »Hey, ich trinke auf leeren Magen.«
    Er zögerte, dann erwiderte er: »Natürlich. Ich habe meine Manieren vergessen.«
    »Nein, ich hätte anrufen sollen. Machen Sie sich keine Umstände. Vielleicht können Sie einfach eine Pizza bestellen«, schlug ich vor.

    Er ging zu dem Telefon auf einem Beistelltisch und versicherte mir: »Keine Umstände. Vielleicht haben Sie bemerkt, dass dies ein Restaurant ist.«
    »Richtig.« Boris hat einen leichten Hang zum Sarkasmus, was auf Intelligenz und gute geistige Gesundheit hindeutet, wie ich meiner Frau des Öfteren erklären muss.
    Boris sprach am Telefon Russisch, und ich hörte das Wort »Zakuskie«, was, wie ich von meinem Freund Ivan weiß, so viel wie Appetithappen heißt. Manche Wörter behält man im Kopf. Natürlich hätte Boris auch sagen können: »Gebt KO-Tropfen in den Borschtsch.« Bevor er auflegte, fragte ich: »Können sie auch Schweine im Schlafrock machen?«
    Er warf mir einen Blick zu, dann fügte er es seiner Bestellung hinzu und sagte: »Kolbasa en croute.«
    Was?
    Jedenfalls legte er auf und sagte zu mir: »Warum setzen Sie sich nicht?«
    Also setzte ich mich hin, und wir beide wurden ein bisschen gelöster, tranken Wodka und genossen den Augenblick, bis ich auf das zu sprechen kam,

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