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Der Löwe

Der Löwe

Titel: Der Löwe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson DeMille
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gab dem Kellner Anweisungen.
    Auf dem Tisch türmten sich jetzt das Essen und Mineralwasserflaschen, und der Kellner deckte ihn mit einem Leinentuch, Besteck und Kristallgläsern aus einer Anrichte.
    »Setzen Sie sich. Hierher«, sagte Boris zu mir.
    Ich nahm Platz, und Boris folgte dem Kellner und Viktor zur Tür und verriegelte sie hinter ihnen, dann setzte er sich mir gegenüber.
    »Mögen Sie russisches Essen?«, fragte er mich.

    »Wer mag es nicht?«
    »Hier«, sagte er, »das ist geräucherter Barsch, das ist eingelegter Hering und das ist Räucheraal.« Er nannte mir sämtliche Gerichte, und ich verlor den Appetit. Er schloss mit: »Das Pièce de résistance – Schweine im Schlafrock.«
    Bei den Schweinen im Schlafrock handelte es sich eigentlich um fette Wurststücke – Kolbasa –, die mit einer Art gebackenem Knödelteig umgeben waren, und ich legte mir ein paar davon auf meinen Teller, dazu noch einige andere Sachen, die sicher aussahen.
    Boris goss uns Mineralwasser ein, worauf wir uns über die Fressalien hermachten.
    Die Kolbasa mit Teig waren genau genommen vorzüglich – Fett und Stärke sind gut, aber bei den eingelegten Tomaten war das letzte Wort noch nicht gesprochen.
    Während wir speisten, fragte mich Boris: »Woher wissen Sie, dass er zurück ist?«
    »Er hat ein paar Leute umgebracht«, erwiderte ich.
    »Wen?«
    »Das darf ich Ihnen nicht sagen, aber man könnte meinen, er hat seinen Einsatz vom letzten Mal abgeschlossen.«
    Boris hörte auf zu essen, dann sagte er: »Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass ich ihn nicht für einen besonderen Einsatz ausgebildet habe – ich habe ihn nur dazu ausgebildet, dass er im Westen eingesetzt werden kann.«
    »Und Leute umbringen.«
    Er zögerte, dann sagte er: »Nun … ja, zum Töten, aber das sind Fähigkeiten, über die jeder Geheimagent verfügen muss … für den Fall, dass es nötig wird.«
    »Eigentlich war Khalil kein Geheimagent, der möglicherweise töten können muss«, wandte ich ein. »Eigentlich war er ein Killer. Von Ihnen ausgebildet. Deswegen war er hier.«
    Boris versuchte es mit einem anderen Ansatz. »Sie müssen
verstehen, dass ich keinerlei Kenntnis von Khalils Einsatz in Amerika hatte. Die Libyer hätten mir das bestimmt nicht verraten. « Und er fügte hinzu: »Ich habe das der CIA erklärt, und man hat mir geglaubt, weil es logisch war und der Wahrheit entsprach. Und ich bin davon überzeugt, dass man das auch an Sie weitergegeben hat, bevor wir uns begegnet sind.«
    Ich erwiderte nichts.
    Er fragte rein rhetorisch: »Wenn die CIA geglaubt hätte, dass Khalil amerikanische Piloten töten wollte, hätte man mich dann aus Libyen herausgeholt? Hätte man mich am Leben gelassen?«
    Das war eine gute Frage, zu der mir keine gute Antwort einfiel. Ich wusste lediglich mit absoluter Sicherheit, dass die CIA und Boris Korsakov einen Teufelspakt eingegangen waren: Man hatte ihm das Leben gerettet, und er packte aus. Möglicherweise war noch mehr ausgehandelt worden, aber weder Boris noch die CIA würden John Corey erzählen, was das war. Offiziell hatte Boris Korsakov, ehemals KGB-Agent und möglicherweise selbst ein Mörder, seine Dienste an einen Schurkenstaat verkauft und einen oder vielleicht auch mehrere von dessen Dschihadisten in der Kunst des Tötens unterwiesen. Aber Boris selbst hatte – seiner Aussage zufolge – kein Blut an den Händen, und er war in Amerika als anerkannter Überläufer willkommen geheißen worden. Von gewissen moralischen Unklarheiten einmal abgesehen, ging es Boris finanziell gut – ganz davon zu schweigen, dass er ein großartiges Leben führte –, und wir anderen, die wir immer noch in diesem Gewerbe waren, genossen weder Kaviar noch Wein, Weib und Gesang. Hey, das Leben ist nicht gerecht, aber man sollte weder Verrat belohnen, noch ein lausiges Gehalt für Loyalität bezahlen.
    Andererseits treffen wir alle unsere Entscheidungen und leben  – oder sterben – mit deren Folgen.
    Jedenfalls versuchte Boris seinen Ruf aufzupolieren, und ich hätte mich einem anderen Thema zuwenden sollen, aber ich
sagte zu ihm: »Ich nehme an, die CIA hat Ihnen mitgeteilt, was Kahlil vor drei Jahren hier getan hat.«
    »Nicht alles.« Und er fügte hinzu: »Ich musste es nicht wissen.«
    »Aber Sie haben doch gesagt, Sie wussten, dass er amerikanische Piloten ermordet hat:«
    »Ja … das hat man mir mitgeteilt.«
    »Boris … der Blödsinn wirkt ein bisschen abgestanden«, wandte ich ein.
    »Für

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