Der Löwe
Sie vielleicht. Für mich nicht.«
»Richtig.« Ich versuchte gar nicht erst, mit diesen Fragen die Wahrheit zu erfahren – ich wollte ihn nur in die Defensive bringen, was ich geschafft hatte, deshalb sagte ich: »In Ordnung. Machen wir weiter. Sie essen, ich rede.« Ich schob meinen Teller beiseite und sagte: »Khalil ist seit etwa einer Woche in diesem Land. Er hat den letzten Piloten umgebracht, der an dem Angriff auf Libyen beteiligt war – einen netten Mann namens Chip –, dann hat er noch ein paar Leute umgebracht, und er hat sich gar nicht erst die Mühe gemacht, seine Identität zu verheimlichen. Ja, deshalb wissen wir, dass er hier ist. Genauer gesagt, in dieser Stadt.«
Boris blickte nicht über die Schulter oder so, aber er hörte auf zu kauen. Ich meine, er ist ein taffer Typ, aber er hatte (a) den betreffenden Killer ausgebildet und wusste also, wie gut er war, und (b) war Boris in den letzten drei Jahren zweifellos ein bisschen weich geworden – geistig und körperlich. Unterdessen war Asad Khalil zweifellos ein bisschen taffer und besser geworden.
Ich fuhr fort: »Mir ist der Gedanke gekommen, dass Khalil ein paar Rechnungen mit Ihnen zu begleichen hat. Sagen Sie mir Bescheid, wenn ich mich irre, dann stehe ich auf und gehe.«
Boris goss mir Mineralwasser nach.
Also fuhr ich fort. »Ganz offen gestanden, habe ich nicht erwartet, Sie lebend zu sehen.«
Er nickte, dann sagte er: »Ich bin nicht weniger überrascht, dass Sie am Leben sind.«
»Sie haben Glück, dass ich am Leben bin. Schauen Sie, ich weiß, dass wir beide auf seiner Todesliste stehen, deshalb müssen wir miteinander reden.«
Boris nickte, dann sagte er: »Und vielleicht schwebt Ihre Freundin Kate ebenfalls in Gefahr.«
»Vielleicht. Aber ich will Ihnen mehr verraten, als Sie wissen müssen. Sie ist jetzt an einem Ort, an dem es noch sicherer ist als hier. Wir haben das getan«, log ich, »um die Anzahl der möglichen Opfer zu reduzieren.« Dann überbrachte ich ihm die frohe Botschaft. »Deshalb glaube ich, dass bloß noch Sie und ich übrig sind.«
Er steckte das gut weg und scherzte: »Sie können heute Nacht auf dieser Couch schlafen.«
»Sie sollten ebenfalls hierbleiben«, sagte ich.
»Vielleicht.«
»Ihre Frau wird das verstehen.«
»Ich versichere Ihnen, dass sie das nicht wird.« Er dachte einen Moment lang nach, dann sagte er: »Aber sie wird morgen nach Moskau fliegen.«
»Keine schlechte Idee.«
Boris goss sich und mir einen Cognac ein, dann sagte er: »Ich nehme an, Sie haben etwas Besseres vor, als sich zu verstecken.«
»Genau genommen ja. Ich habe vor, Sie als Köder zu benutzen, um Khalil in die Falle zu locken.«
»Ich bin mir nicht sicher, ob mir das gefällt«, erwiderte er.
»Kommt mir zupass.«
Er rang sich ein Lächeln ab, ging aber nicht darauf ein.
Eigentlich war es meine Aufgabe, den Köder zu geben, und ich hatte damit auch kein Problem. Ich wollte sogar der Einzige sein, der in der Lage war, Asad Khalil umzubringen. Doch Boris Korsakov war ebenfalls ein mögliches Opfer, und ich hatte die
Pflicht, ihm das klarzumachen, und außerdem musste ich mein Ego und meine Wut zugunsten des Auftrags hintanstellen. Ich wäre natürlich nicht begeistert, wenn es Boris gelänge, Khalil dranzukriegen, aber Hauptsache, er käme unter die Erde.
»Haben Sie Hinweise darauf, dass er weiß, wo ich bin?«, fragte mich Boris.
»Haben wir nicht«, erwiderte ich wahrheitsgemäß. »Aber warum gehen wir nicht davon aus, dass er es weiß? Er hatte drei Jahre Zeit, Sie ausfindig zu machen. Außerdem hat er Freunde in Amerika.«
Boris nickte, dann lächelte er und teilte mir mit: »Ich wurde sogar in Publikationen erwähnt, die über Gastronomie oder die russische Einwanderergemeinde schreiben.«
»Hoffentlich haben die nicht Ihr Foto abgedruckt, Boris.«
Er zuckte die Achseln und erwiderte: »Ein paarmal.« Dann erklärte er die Sicherheitslücke. »Das gehört zu meinem Geschäft. Und ehrlich gesagt, hatte ich nichts gegen die Publicity einzuwenden und dachte gar nicht an die persönliche Sicherheit.«
»Offenbar nicht. Ist das Ihr richtiger Name?«, fragte ich.
»Das ist er. Die CIA hat mich gedrängt, meinen Namen zu ändern, aber … er ist alles, was ich von früher noch habe«, erklärte er.
»Richtig.« Und dieser Name würde auch auf seinem Grabstein stehen. Nun ja, ich nehme an, Boris Korsakov fühlte sich in Brighton Beach, Brooklyn, sicher, obwohl er den libyschen Nachrichtendienst, Asad
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