Der Löwe
sah, dass ein neuer Überwachungsmensch in der Lobby war, diesmal eine Frau, die in einem Sessel saß, die Times las und eine Tüte von Bloomingdale’s neben sich stehen hatte.
Ich kannte sie nicht, deshalb ging ich hin und stellte mich vor. Sie stellte sich ihrerseits als Kiera Liantonio, Spezialeinsatzgruppe, vor. Sie war eine attraktive, gut gekleidete Frau von Mitte zwanzig, vielleicht ein bisschen älter, aber das kann ich nicht mehr so genau einschätzen. Auf jeden Fall war sie zu jung, um Detective beim NYPD zu sein, deshalb fragte ich sie: »FBI?«
»Sieht man das?«
»Leider ja.« Wo nehmen die diese Kids bloß her? Nun ja, frisch vom Jurastudium oder aus Quantico. Wie Lisa Sims. Vermutlich war diese Art von Auftrag eine gute praktische Ausbildung
für eine grüne FBI-Agentin. Warum einen Profi für meine Bewachung abstellen?
»Ich bin wahrscheinlich zwei, drei Stunden weg«, sagte ich zu Special Agent Liantonio. »Sie können eine Pause machen, wenn Sie wollen.«
Sie nickte.
Nur zu Ihrer Information: Es ist nicht gut, eine Polizistin oder Agentin zu fragen, ob sie eine kugelsichere Weste trägt – das ist so, als würde man fragen, ob sie schwanger seien, und sie könnten es falsch auffassen. Aber ich bin gewieft, deshalb sagte ich zu ihr: »Warum tragen Sie keine Weste?«
»Tu ich doch«, erwiderte sie.
»Oh … gut.« Sehen Sie?
Jedenfalls wirkte sie sehr selbstsicher, so wie die meisten dieser neuen Agenten, wenn sie frisch aus Quantico kommen – so wie ich war, als ich von der Akademie kam. Ich meine, man ist körperlich in großartiger Verfassung, man hat im Unterricht aufgepasst, man hat eine Knarre, mit der man umgehen kann, und eine Marke oder einen Ausweis, die einem Autorität verleihen. Das Einzige, was man nicht hat, ist eine Ahnung vom Job.
»Meine Frau ist beim FBI«, sagte ich zu Ms Liantonio.
»Ich weiß.«
»Wissen Sie auch, wo sie ist und warum sie dort ist?«
»Ich habe etwas gehört.«
»Gut. Sie braucht und will keine Zimmergenossin.« Und ich fügte hinzu: »Bleiben Sie wachsam. Das ist ein ziemlich schlimmer Typ.«
Sie erwiderte nichts, nickte aber.
Ich verließ das Gebäude und blieb mit meinem Begleitschützen – wieder Ed Regan – unter der Markise stehen, während der SUV der Autobahnpolizei näher rollte.
Ich stieg ein. Der Fahrer, ein gewisser Ahmed soundso, war neu. Ich meine, bei der fünfunddreißigtausend Mann starken
Polizei gibt es ungefähr fünfzig Cops aus dem Nahen Osten, und ich erwische einen davon.
Wir plauderten, während wir zum Bellevue fuhren, und Ahmed war ein guter Kerl, der ein paar gute Witze riss. Zum Beispiel: »Ich entführe Sie.« Nun ja, wenn man nach 9/11 als Muslim beim NYPD ist, braucht man wirklich Sinn für Humor.
Ed Regan zeigte sein Interesse an Ahmeds Kulturkreis, indem er ihn fragte: »Was ist ein gemäßigter Araber?«
»Jemand, dem die Munition ausgegangen ist«, antwortete Ahmed.
Ich kannte ein paar gute neue Sprüche, wollte aber nicht so wirken, als wäre ich anderen Kulturkreisen gegenüber taktlos. Na ja, bloß einen. »Wie blendet man einen Araber?«, fragte ich.
»Man hält ihm eine Windschutzscheibe vors Gesicht«, antwortete Ahmed.
Jedenfalls fuhr Ahmed weitaus besser als ein pakistanischer Taxifahrer, wenn man mal davon absah, dass er ab und zu ein paar merkwürdige Sachen machte, aber mir war klar, dass er nur feststellen wollte, ob wir einen Schatten hatten. Außerdem war mir klar, dass wir in der Tat von einem anderen Wagen beschattet wurden, wie bei jeder Fahrt zum Bellevue. Grundsätzlich lief es darauf hinaus, dass die Schurken, falls sie mich beobachteten und sahen, dass ich regelmäßig zum Bellevue Hospital fuhr, daraus schlussfolgern könnten, dass ich mich (a) dringend in psychiatrische Behandlung begeben musste oder (b) einen Patienten besuchte. Und wir wollten nicht, dass sie darüber nachdachten.
Wie auch immer, bei allem Respekt vor den fahrerischen Fähigkeiten gewisser im Ausland geborener Menschen, konnten diese Gentlemen ein Auto nicht einmal dann verfolgen, wenn sie an die Stoßstange gebunden waren. Wir kamen ohne Zwischenfall und ohne Gesellschaft zum Bellevue, wo ich ausstieg und sagte: »Ich melde mich bei Ihnen.«
Kates Zustand war besser, aber sie sagte, dass ihr die Decke auf den Kopf falle und sie unbedingt raus wolle.
Ich hätte sie daran erinnern können, dass der Aufenthalt im Krankenhaus besser war, als tot zu sein, aber ich wollte angesichts ihrer
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