Der Löwe
führte.
Er blieb reglos in der Hocke und horchte auf irgendein Geräusch, das darauf hindeutete, dass jemand in der Nähe war. Wenn er jemandem begegnete, hatte er zwei Möglichkeiten: das Brecheisen oder die Pistole. Flüchten kam nicht in Frage. Er hatte zu lange auf diesen Moment gewartet, und jetzt war er so nahe an Mr Wiggins dran, dem letzten der acht Piloten, die ihre Bomben auf die Al-Azziziya-Kaserne in Tripolis abgeworfen hatten, in der er gewohnt hatte und in der seine Familie gestorben war.
Die zweimotorige Maschine rollte weiter auf ihn zu, und er betete, dass dies die Maschine sein möge, auf die er wartete. Als sie näher kam, erkannte er, dass sie weiß war, und er meinte auch die Alpha-Kennzeichnung am Heck zu sehen. Er öffnete die Segeltuchtasche und holte das schwere Brecheisen heraus.
Das Flugzeug traf auf den Stellplatz und blieb rund zehn Meter von ihm entfernt stehen. Kurz darauf gingen die Lichter aus, dann wurden die beiden Motoren abgestellt, und es wurde wieder dunkel und still.
Khalil behielt alles im Blick und wartete. Er hörte ein paar Quietschtöne vom Flugzeug und sah dann, wie die Ausstiegstreppe an der linken Seite des Rumpfes ausgeklappt wurde und kurz darauf ein Mann herauskam.
Der Bereich um den Stellplatz war nur schwach beleuchtet, deshalb konnte sich Khalil nicht sicher sein, ob es sich bei dem Piloten um Wiggins handelte, aber das hier war seine Maschine, auf dem Parkplatz stand sein Fahrzeug, und die Ankunftszeit stimmte. Khalil würde es nicht weiter stören, wenn er den Falschen tötete, wenn man einmal davon absah, dass es für Wiggins – und die Behörden – ein Hinweis darauf wäre, dass er zurück war.
Der Pilot trug irgendetwas – Radvorleger, die an Schnüren hingen –, drehte sich um und bückte sich, um den ersten Block hinter dem linken Rad der Maschine zu platzieren.
Khalil nahm die Segeltuchtasche, rannte los und legte in wenigen Sekunden die zehn Meter zwischen ihm und dem Flugzeug zurück. Der Pilot, der gerade den zweiten Block vor das linke Rad schob, hörte ein Geräusch, drehte sich um und richtete sich auf. Khalil war bereits bei ihm und erkannte sofort, dass es sich um Chip Wiggins handelte, dessen Gesicht er auf Fotos gesehen hatte.
Wiggins starrte den Mann an und sagte: »Wer – ?«
Khalil hatte die Segeltuchtasche fallen lassen, hielt jetzt das Brecheisen mit beiden Händen, holte weit aus, drosch es auf Wiggins’ linke Schulter und zertrümmerte ihm das Schlüsselbein.
Wiggins stieß einen gellenden Schmerzensschrei aus, torkelte zurück und fiel zu Boden. Khalil holte erneut aus und zertrümmerte Wiggins’ rechte Kniescheibe, dann ein weiteres Mal, bei dem er dessen linkes Schienbein zerschlug, worauf er ihm mit dem letzten Hieb die rechte Schulter brach.
Wiggins’ Schmerzensschreie waren jetzt kaum noch zu hören, und Khalil sah, dass der Mann im Begriff war, in Ohnmacht zu fallen. Er blickte sich rasch um, dann warf er das Brecheisen und die Tragetasche mit der Säge in die Kabine des Flugzeugs. Er kniete sich neben Wiggins, zog ihn an der Hemdbrust hoch und wuchtete sich den halb bewusstlosen Mann über die Schulter. Dann richtete er sich auf, stieg rasch die Treppe hinauf und zog sie hinter sich hoch.
Der Frachtraum war dunkel und die Decke so niedrig, dass Khalil geduckt zur hinteren Trennwand lief, wo er Wiggins ablegte und in Sitzposition brachte, sodass er mit dem Rücken an der Wand lehnte.
Khalil holte seine Schlachtersäge heraus und kniete sich dann
rittlings über Wiggins’ Beine. Er zog eine Ammoniakampulle aus seiner Hosentasche und zerbrach sie unter Wiggins’ Nase. Der Kopf des Mannes zuckte zurück, worauf Khalil ihm auf beide Wangen schlug.
Wiggins stöhnte und öffnete die Augen.
Khalil beugte sich dicht vor Wiggins’ Gesicht und sagte: »Ich bin es, Mr Wiggins. Asad Khalil, den Sie seit drei Jahren erwarten.«
Wiggins riss die Augen weiter auf und starrte Khalil an, sagte aber nichts.
Khalil legte den Mund an Wiggins’ Ohr und flüsterte: »Sie oder einer Ihrer toten Kameraden aus Ihrer Staffel haben meine Mutter, meine Brüder und meine Schwestern getötet. Sie wissen also, weshalb ich hier bin.«
Khalil beugte sich zurück und betrachtete sein Opfer. Wiggins starrte geradeaus, und Tränen liefen ihm über die Wangen.
»Ah, ich sehe, dass es Ihnen leidtut«, sagte Khalil zu ihm. »Oder kommt das von den Schmerzen? Aber die seelischen Schmerzen, die ich mit mir herumschleppe, seit ich ein
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