Der Löwe
Einsteigen formieren. Fallschirmjäger haben einen Auftrag; Fallschirmspringer wollen ihren Spaß haben. Mir macht es keinen Spaß. Folglich muss ich einen Auftrag haben.
Ich hatte sogar meine 9 mm Glock in einer Reißverschlusstasche dabei, und Kate hatte ihre 40er Glock bei sich. Eines Tages wird mir irgendjemand erklären, warum Cops und FBI-Agenten die gleiche Waffenmarke haben, aber mit unterschiedlichem Kaliber. Was ist, wenn mir bei einer Schießerei die Munition ausgeht? »Kate, kann ich mir ein paar Kugeln leihen?« »Tut mir leid, John, aber meine Kugeln sind größer als deine. Möchtest du einen Kaugummi?«
Jedenfalls brauchten wir unsere Knarren beim Fallschirmspringen nicht, aber laut Vorschrift durften wir sie nicht im Motel oder gar im Kofferraum unseres Autos lassen. Wenn man seine Waffe verliert oder sich stehlen lässt, ist man beruflich schwer in der Bredouille. Deshalb hatte ich meine Wumme dabei. Hey, in der Landezone könnte es Bären geben.
Wir gingen weiter zum Flugzeug, und Kate nahm meine Hand und sagte: »Lass uns diesen Sprung machen und die nächsten zwei aussetzen.«
»Wir haben für drei bezahlt, also machen wir auch drei.«
»Lass uns das entscheiden, wenn wir wieder am Boden sind. Ich glaube, ich würde lieber Antiquitäten kaufen gehen«, schlug sie vor.
»Ich springe lieber aus einem Flugzeug, als Antiquitäten zu kaufen.«
Sie lächelte und drückte meine Hand. Sie wusste, dass ich
immer noch sauer war. Manchmal muss man so was ausnützen, so weit es geht, und durchhalten, bis man einen geblasen kriegt. Ein andermal, jetzt zum Beispiel, muss man es einfach laufenlassen. Deshalb sagte ich: »Sehen wir mal.«
Ein Typ vom Fallschirmspringerclub stand auf dem Vorfeld und teilte die Leute ihren Absprunggruppen zu. Soweit ich es verstanden hatte, wollten zwei Gruppen en masse aussteigen und sich an einer abgesprochenen Formation versuchen. Sie wollten eine Art Rekord schaffen. So was wie den größten Ringelpietz fliegender Arschlöcher.
Kate hatte genug Erfahrung, um sich einer dieser Gruppen anzuschließen, aber ich nicht, deshalb würden Kate und ich gemeinsam mit ein paar Einzelspringern und einigen Zweier- und Dreiergruppen springen. Obwohl ich für meine Solosprünge eigentlich keinen Sprungmeister mehr brauchte, würde Kate meine Sprungmeisterin sein, damit wir während des Freifalls ein bisschen Relativspringen üben konnten. Eines Tages würde ich so gut sein, dass ich bei einer geschlossenen Formation mitmachen konnte, die aussah wie ein fliegender Schneebesen.
Eigentlich genoss ich den freien Fall auch ohne die Arbeit und die Konzentration, die nötig sind, um zu manövrieren und mit Fremden Händchen zu halten. Wenn ich mit hundertsechzig Stundenkilometern falle, kann ich Arme und Körper so in Position bringen, dass ich durch den Luftwiderstand abbremse oder beschleunige, Salti schlage und Spiralen drehe, und es fühlt sich eher wie Fliegen als Fallen an. Ehrlich gesagt, komme ich mir dabei noch mehr wie Superman vor als ohnehin schon.
Der Typ vom Fallschirmspringerclub stand jetzt an der rollbaren Treppe, die zu der großen Frachtluke im hinteren Teil des Rumpfes führte. Er hatte ein Klemmbrett in der Hand und hakte Namen ab, während sich die Springer sammelten.
»Sind wir in der Ersten Klasse?«, fragte ich Kate, als wir auf den Typ mit dem Klemmbrett zugingen.
»Ja, bis wir aussteigen.«
»Corey. Mr und Mrs«, gab ich bekannt, als wir bei dem Typ mit dem Klemmbrett waren.
Er zog seine Liste zu Rate und sagte: »Okay … ich habe euch. Ein Zweiersprung dritten Grades. Ihr könnt euch jetzt an Bord begeben. Geht nach ganz vorne. Reihe zwei.«
»Gibt’s bei dem Flug was zu essen?«
Der Typ mit dem Klemmbrett schaute mich an, ging aber nicht auf meine Frage ein. »Ich wünsche Ihnen einen guten und sicheren Sprung, Mr Corey«, sagte er zu mir.
Wie wär’s mit einer sicheren Landung?
Kate stieg vor mir die mobile Treppe hinauf, und ich folgte ihr in die dunkel gähnende Kabine.
Wenn ich mit einer Passagiermaschine fliege, freue ich mich immer, wenn ich Nonnen oder Geistliche an Bord sehe. Aber Fallschirme sind auch nicht schlecht. Nichtsdestotrotz hatte ich mit einem Mal ein ungutes Gefühl. Ich bin seit über zwanzig Jahren im Polizeidienst, und es mag klischeehaft klingen, aber ich habe mir einen sechsten Sinn für Ärger und Gefahr zugelegt. Und genau der meldete sich jetzt.
8
K ate ging vor mir in den vorderen Teil des Flugzeugs.
Die Fenster
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