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Der Löwe

Der Löwe

Titel: Der Löwe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson DeMille
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wissen, ob ich ein normaler Ehemann war. Unserer Ehe tat das gut.
    Ich hörte, wie einer der Motoren angelassen wurde, danach ein anderer, dann die letzten zwei. Ich stellte mir vor, wie Cindy im Cockpit zu Ralph sagte: »Also, irgendwie drehen sich jetzt all diese Propeller.«
    Worauf Ralph erwiderte: »Sehr gut, Liebes. Jetzt müssen wir zur Startbahn rollen. Nimm die Füße von den Bremspedalen, Süße.«
    Und selbstverständlich setzten wir uns in Bewegung. Der Motorenlärm war ohrenbetäubend, und das Flugzeug ächzte und quietschte, als wir auf die Rollbahn einbogen.
    Ich war so nahe am Cockpit, dass ich Cindy fragen hörte: »Ralph, kann ich von hier aus starten?«
    »Nein, mein Schatz, warte, bis wir zur Startbahn kommen.«
    Vielleicht bildete ich mir das auch nur ein.
    Wir rollten ein, zwei Minuten, bogen dann ab und hielten am Ende der Startbahn an. Cindy jagte die Motoren hoch (sie dachte daran, die Füße auf den Bremspedalen zu lassen), worauf die
alte Maschine vibrierte und losschießen wollte wie ein Sprinter, bereit, über das lange Asphaltband zu rauschen.
    Hatte da einer der Motoren einen Aussetzer? Hörte ich eine Fehlzündung? Cliff, stell dein Hörgerät lauter.
    Ich hörte Funkverkehr aus dem Cockpit dringen, und Cindy antwortete: »Hi, Tower. Kann ich irgendwie die ganze Startbahn benutzen?«
    Okay, nur ein Witz.
    Das Flugzeug rollte an, kam in Schwung, und ich spürte, wie es leichter wurde, als es sich der Startgeschwindigkeit näherte.
    Ehe ich mich’s versah, wurde der Bug hochgezogen, und wir waren in der Luft.
    »Ralph! Ich hab’s geschafft! Ich hab’s geschafft«, rief Cindy. »Was muss ich jetzt machen?«
    Die Maschine zog steil hoch, und wir hielten uns am Riemen fest. Dann legte Kate mir den Arm um die Schulter, zog mich zu sich und sagte mir ins Ohr: »Ich teile gern Sachen mit dir.«
    Richtig. Beim nächsten Mal teilen wir uns eine meiner Zigarren.
    Die DC-7B legte sich in eine Rechtskurve und gewann an Höhe, als sie zu einer weiten Korkenzieherschleife ansetzte. Die Landezone, eine große und hoffentlich bärenfreie Wiese, war nicht weit von der Westseite des Flugplatzes entfernt, deshalb würden wir den Großteil des dreißigminütigen Flugs aufsteigen, bis wir auf 14 000 Fuß waren.
    Mir fiel auf, dass der Absetzer in der Nähe der Frachtluke saß und eine Art Bordtelefon in der Hand hatte, mit dem er sich vermutlich mit dem Cockpit verständigte, damit er Bescheid sagen konnte, wenn alle abgesprungen waren. Ich fragte mich, ob Cindy wusste, dass es hier um Fallschirmspringen ging. Ich meine, ich konnte mir vorstellen, wie sie in die Kabine kommt und erschrickt, als sie sieht, dass alle weg sind, dann wieder ins Cockpit rennt und ruft: »Ralph! Cliff! Die sind alle aus der Maschine gefallen!«
    Kate legte die Lippen an mein Ohr und sagte: »Es ist schön, dich lächeln zu sehen.« Dann gab sie mir einen feuchten Schmatz.
    Ich drückte ihre Hand und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Jetzt, da ich hier oben war, freute ich mich regelrecht auf den freien Fall und das gemächliche Segeln, wenn ich mich mit dem Fallschirm dem Boden näherte. Es ist wirklich sensationell und rein statistisch gesehen weniger gefährlich als das, was ich von Berufs wegen mache.

9
    I n der Kabine war es jetzt eiskalt, und alle hatten ihre Helme aufgesetzt und die Handschuhe angezogen.
    Ich drehte mich zu Kate um und blies ihr eine Atemwolke zu. Sie blies eine Wolke zurück und lächelte.
    Das Flugzeug dröhnte weiter und schraubte sich hoch.
    »John?«
    »Ja, mein Schatz?«
    Sie legte den Mund an mein Ohr und sagte: »Geh noch mal die Manöversequenz durch, die wir abgesprochen haben. Frag mich, wenn dir irgendetwas unklar ist.«
    »Was für eine Farbe hat dein Fallschirm?«
    »Wenn du dich stabilisierst, musst du auf mich achten.«
    »Ich achte gern auf dich.«
    »Beim letzten Mal hast du nicht auf mich geachtet.«
    »Haben wir das schon mal gemacht?«
    »Wir wollen doch im Freifall nicht zusammenstoßen.«
    »Ganz schlecht.«
    »Wir machen ein paar Relativübungen, wie besprochen, dann leite ich die Trennung ein.«
    Genau das hatte meine letzte Frau gemacht. Hatte sich nach sechs Monaten scheiden lassen.
    »Auf zweitausendfünfhundert Fuß lösen wir beide unsere Schirme aus. Behalte deinen Höhenmesser im Auge.« Und sie erinnerte mich: »Du musst mindestens dreißig Meter Abstand zu mir halten. Wir wollen doch nicht, dass sich unsere Schirme verheddern.«

    Ich tätschelte das Kappmesser an

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