Der Löwe
sagte: »Sie sollten ein paar Leute herschicken und alles daransetzen, den Täter dingfest zu machen.«
»Verstanden.«
Aber ich wusste, dass Asad Khalil nicht in seinem Overall in der Gegend herumlief oder seinen Fallschirm zusammenpackte. Er hatte vermutlich ein Fahrzeug auf der anderen Seite des Waldes bereitgestellt und war längst weg.
»Und Sie sind jetzt auf dem Weg zum Catskill Regional Medical Center?«, fragte der Diensthabende.
»Richtig, und ich bitte um Polizeipräsenz im Krankenhaus. Außerdem würde ich dort gern mit dem leitenden Ermittler der Mordkommission sprechen.«
»Ich stelle Sie ins Hinterzimmer durch«, erwiderte der Diensthabende.
»Danke.« Im Hinterzimmer hatte ich früher gearbeitet.
Rund dreißig Sekunden später hatte ich einen Ermittler
namens Harris an der Strippe. »Mein Diensthabender hat mir die Situation erklärt und Ihre Bitte um Polizeipräsenz im Krankenhaus weitergeleitet.«
Wir sprachen etwa eine Minute lang von Polizist zu Polizist, dann sagte Harris: »Wir haben Leute zum Tatort beordert, die den Täter suchen sollen, außerdem schicke ich Ihnen ein paar Männer ins Krankenhaus. Ich sehe zu, ob ich den leitenden Ermittler ausfindig machen kann, damit er sich mit Ihnen trifft.«
»Danke.«
»Wie geht’s Ihrer Frau?«
Ich warf einen Blick zu Kate und erwiderte: »Sie ist in einem kritischen Zustand.«
»Tut mir leid … Können Sie den Täter beschreiben?«, fragte er.
»Yeah. Er ist libyscher Staatsbürger, etwa … dreißig Jahre alt, sein Name ist Asad Khalil, groß, dunkelhaarig, Hakennase, bewaffnet und gefährlich. Rufen Sie den Diensthabenden beim FBI an der Federal Plaza Nummer 26 in New York an, dort wird man Ihnen alles Weitere zu diesem Typ mitteilen und ein Foto mailen«, sagte ich. »Dieser Mann wird vom Justizministerium wegen mehrfachen Mordes in den USA gesucht. Er ist ein internationaler Terrorist, nach dem auch Interpol und die halbe Welt fahnden.«
Am anderen Ende herrschte Schweigen, dann sagte Ermittler Harris: »Okay … wow. Okay, ich werde Ermittler Miller losschicken, damit er sich mit Ihnen im Krankenhaus trifft.«
»Danke.« Ich gab ihm meine Handynummer durch, legte auf, atmete tief durch und schaute wieder zu Kate. Ihre Haut war kreideweiß und Blut sickerte rund um ihren Beatmungsschlauch.
Ich schaute Ron und Pete an und sagte: »Sie werden nichts von dem weitererzählen, was Sie gerade gehört haben.«
Ich drückte mit den Fingern weiter fest auf Kates Arterie, war mir aber bewusst, dass ich dadurch zwar verhinderte, dass sie
verblutete, gleichzeitig aber die Blutzufuhr zum Gehirn reduzierte.
Die Sanitäter hatten ihr ein paarmal mit einer Stiftlampe in die Augen geleuchtet und waren der Meinung, dass noch Gehirnaktivität da war. Ich zog ihre Lider hoch und schaute in Kates blaue Augen. Ich hatte den Eindruck, dass ihre Lebenskraft schwand.
Wir fuhren nach wie vor durch eine ziemlich ländliche Gegend, und ich befürchtete, dass wir noch weit weg vom Krankenhaus waren. Aber dann sah ich vor uns ein weißes, fünfstöckiges Gebäude, über dessen Eingang in roten Lettern CATSKILL REGIONAL MEDICAL CENTER stand.
Ein Schockteam erwartete uns an der Notaufnahme, und man brachte Kate sofort in den Schockraum. Ich füllte rasch ein paar Formulare aus, dann führte mich eine Schwester in einen kleinen Warteraum und sagte zu mir: »Dr. Andreas Goldberg wird die Operation durchführen. Er ist der beste Gefäßchirurg, den wir haben. Er wird mit Ihnen sprechen, sobald er aus dem OP kommt. Sie sollten alle Leute anrufen, die Sie anrufen müssen.«
Im Warteraum war niemand, folglich hatte es an diesem Maisonntag im Sullivan County keine Unfälle gegeben. Bislang jedenfalls.
Vorsichtshalber zog ich den Reißverschluss an meiner Tasche auf und holte die Glock heraus. Ich wusste nicht, ob die Staatspolizisten bereits da waren, und traute Asad Khalil durchaus zu, dass er wusste, wohin man Kate gebracht hatte, und dort auch sein zweites Opfer, John Corey, vermutete. Wenn einem ein ausgebildeter Killer erklärt, dass er einen morgen umbringen will, sollte man seine Zeitangabe nicht zu wörtlich nehmen; mit morgen könnte auch der heutige Tag gemeint sein.
Eine Schwester kam in den Warteraum, und ich war mir
sicher, dass sie eine schlechte Nachricht für mich hatte. Aber sie reichte mir nur einen Plastikbeutel und sagte: »Das sind die persönlichen Gegenstände Ihrer Frau.«
Ich zögerte, dann nahm ich den Beutel. »Danke.« Ich
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