Der Löwe
wartete darauf, dass sie mir etwas über Kates Zustand mitteilte, aber sie sagte lediglich: »Wenn Sie einen Moment Zeit haben, dann kommen Sie bitte im Schwesternzimmer vorbei und unterschreiben die Empfangsbestätigung für diese Sachen.«
»Okay … Wie geht es ihr?«, fragte ich.
»Sie wird für die Operation vorbereitet.«
Ich nickte, worauf die Schwester ging.
Ich schaute auf die Gegenstände in dem Beutel und sah Kates Brieftasche, in der etwas Bargeld war. Außerdem enthielt sie ein Foto von mir. Ich holte tief Luft und nahm mir die anderen Sachen vor – ein Kamm, eine Packung Kaugummis, Papiertaschentücher und ein Stift Lipgloss. Ganz unten im Beutel fand ich ihren Ehering. Ich steckte den Beutel in eine Reißverschlusstasche meines Overalls. Ich musste davon ausgehen, dass Khalil ihre Knarre hatte. Aber was war mit ihrem Handy? War es ihr aus der Tasche gefallen? Oder hatte sie es im Motel oder im Auto gelassen? Ich wollte gar nicht daran denken, dass Asad Khalil ihr Handy samt aller gespeicherten Telefonnummern hatte.
Apropos Handys. Ich ging auf den Flur und holte meines heraus. Sie sollten alle Leute anrufen, die Sie anrufen müssen. Damit waren die nächsten Angehörigen gemeint. Ich wählte die Nummer von Kates Eltern, die in Minnesota lebten – aber was sollte ich Ihnen sagen? Ihr Vater war, wie schon gesagt, FBI-Agent gewesen und jetzt im Ruhestand, und ich könnte mit ihm von Mann zu Mann sprechen, von Polizist zu Polizist … von Ehemann zu Vater. Aber vielleicht erfuhr ich später mehr und konnte ihm konkretere Nachrichten überbringen.
In meiner Dienststelle musste ich allerdings anrufen.
Eigentlich sollte ich mit der Einsatzzentrale des FBI telefonieren, doch am Wochenende würde dort vermutlich ein ahnungsloser Anfänger seinen Dienst tun. Mit dem sprach momentan vermutlich Ermittler Harris. Aber seit 9/11 konnten Agenten vom NYPD eine direkte Privatnummer wählen und das Wachkommando erreichen, das mit einem Detective vom NYPD besetzt war, was mir lieber war – ungeachtet des Protokolls.
Ich wählte die Privatnummer, und nachdem es ein paarmal geklingelt hatte, meldete sich eine Frau. »Detective Lynch.«
Ich kannte sie und erwiderte: »Hi, Janet. Corey hier.«
»Hi, John. Was gibt’s?«
»Ich möchte einen Mordversuch an einer Bundesagentin durch einen bekannten Terroristen melden«, erwiderte ich.
»Oh … Gott. Wer? Ich meine, wer ist das Opfer?«
»Kate.«
»O mein Gott. Wie geht es ihr? Wo sind Sie?«
»Sie … ihr Zustand ist kritisch. Wir sind im Catskill Regional Medical Center.«
»Ach, John, ich – «
»Werden wir mitgeschnitten?«
»Yeah. Wir schneiden mit.«
»In Ordnung. Der Täter war Asad Khalil.«
»Asad …? Der Libyer?«
Ich gab ihr einen umfassenden und hoffentlich halbwegs verständlichen Bericht durch über alles, was vorgefallen war, unter anderem auch, dass ich jetzt im Flur des Krankenhauses stand und hin und her blickte, um festzustellen, ob eine Schwester oder ein Chirurg nahte, um mir gute oder schlechte Nachrichten zu überbringen.
Janet war außer sich und stellte nicht allzu viele Fragen, wollte aber Näheres über Kate wissen. Sie sagte, sie würde für sie beten, worauf ich ihr dankte. »Rufen Sie Walsh und Paresi an und teilen Sie ihnen mit, dass der Löwe zurück ist.«
»Okay …«
Janet war neu bei der Task Force und wusste nur wenig über Asad Khalil, und das Wenige, das sie wusste, hatte hauptsächlich damit zu tun, dass Khalil drei Leute von der Task Force ermordet hatte – Nick Monti, NYPD, Nancy Tate, eine Zivilbedienstete, und einen FBI-Agenten namens Meg Collins. Die näheren Einzelheiten über Asad Khalils letzten Aufenthalt in den USA waren geheim, aber die Namen unserer Leute, die er ermordet hatte, waren jedem Mitglied der Task Force mitgeteilt worden.
Außerdem hatte Janet das an der Wand der Kaffeebar der ATTF an der Federal Plaza 26 hängende Fahndungsplakat von Asad Khalil gesehen, das im Lauf der letzten drei Jahre von einer Reihe von Agenten mit Anmerkungen wie »Drecksack« oder »Polizistenmörder« versehen worden war. Ich persönlich hatte »Du Arschloch gehörst mir« hingeschrieben.
Nun ja … jetzt würde ich die Gelegenheit bekommen.
Ich sagte zu Janet: »Ich habe die Staatspolizei hier in Liberty gebeten, die Einsatzzentrale des FBI anzurufen und darum zu bitten, dass man ihnen Fotos von Asad Khalil und außerdem das Vorstrafenregister und das Fahndungsplakat mailt oder faxt.
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