Der Löwe
herausbekommen hatten, mit welchem Verkehrsmittel er reiste und was sein Ziel war. Als er am Samstagmorgen auf dem Sullivan County Airport gelandet war, hatte er den Piloten erklärt, dass er am Sonntag nach Buffalo fliegen wolle, deshalb war er sich sicher, dass sie in ihrem Flugplan diese Stadt angegeben hatten. Aber als er nach dem Angriff auf Coreys Frau zurückkehrte, teilte er ihnen mit, dass er seine Pläne geändert habe, und bat darum, so schnell wie möglich zum MacArthur Airport auf Long Island gebracht zu werden. Die Piloten hatten damit kein Problem – schließlich war er der Boss, wie sie ihm immer wieder versicherten.
Die Piloten hatten ihrem Passagier mitgeteilt, dass sie keinen Flugplan einreichen müssten, weil es ein klarer Tag sei, sie den gesperrten Luftraum um New York City meiden und unterhalb der Höhe bleiben würden, für die ein Flugplan vorgeschrieben sei. SFR – Sichtflugregeln – erklärten sie.
Khalil wusste das alles, aber er hatte höflich genickt, und innerhalb von fünfzehn Minuten waren sie in der Luft. Nach zehn Minuten tat er so, als telefoniere er, und erklärte den Piloten, dass er seine Pläne erneut geändert habe und zum Republic Airport gebracht werden wolle, der näher war als der MacArthur.
Folglich, dachte Khalil, hatten die Piloten keine Zeit gehabt, um am Sullivan County Airport mit jemandem zu sprechen oder ihr neues Ziel anzugeben. Dass sich offizielle Stellen so gut wie gar nicht um den privaten Flugverkehr kümmerten, hatte Khalil schon vor drei Jahren gewundert. Und noch erstaunlicher
war, dachte er, dass es anderthalb Jahre nach dem Märtyrertod der Dschihadisten am 11. September 2001 immer noch möglich war, in diesem Land mit einer Privatmaschine umherzufliegen und so gut wie keine Hinweise auf die Reise oder die Passagiere an Bord zu hinterlassen. Man brauchte lediglich eine Kreditkarte, die dem Charterunternehmen die Bezahlung garantierte.
Die Behörden konnten allenfalls darauf kommen, dass er in diesem Flugzeug saß, wenn die Polizei erriet, dass er mit einer Chartermaschine am Sullivan County Airport eingetroffen und ihn damit auch wieder verlassen hatte. Aber niemand kannte das nächste Ziel des Flugzeuges, auch wenn man die Piloten möglicherweise per Funk erreichte. Die Piloten jedoch hatten während des Fluges so wie immer gewirkt, deshalb war er sich ziemlich sicher, dass sie keinen Funkspruch empfangen hatten.
Allerdings hatte er ständig Corey vor Augen. Dieser Mann hatte ihm bei seinem letzten Aufenthalt in Amerika unerwartet Schwierigkeiten bereitet. Er war schlau und dachte anscheinend stets ein, zwei Schritte voraus, aber er hatte beim letzten Mal nicht mit Khalil mitgehalten und würde es auch diesmal nicht können. Vielmehr würde es umgekehrt sein.
Khalil holte ein Fernglas aus seiner Reisetasche und suchte das Vorfeld ab, sah aber nichts Verdächtiges.
Er griff in seine Tasche und holte das Handy von Coreys Frau heraus. Ihm war klar, dass die Behörden ständig nach dem Signal suchen würden, wenn sie feststellten, dass es abhandengekommen war. Seine Kollegen von al-Qaida, die seinen Einsatz finanzierten, hatten ihm erklärt, dass er, sollte er in den Besitz eines Handys von einem Bundesagenten gelangen, eine, allenfalls zwei Minuten Zeit habe, um sich Zugang zu den darauf gespeicherten Informationen zu beschaffen, bevor das Gerät angepeilt werde.
Er schaltete das Handy der Frau ein, und innerhalb weniger Sekunden klingelte es, ein Hinweis darauf, dass eine SMS eingegangen
war. Seine Finanziers hatten ihm außerdem erklärt, dass er jederzeit und ohne einen Code zu kennen eine SMS abrufen könne. Das hatte ihn überrascht, und er war skeptisch gewesen, aber jetzt würde er sehen, ob es stimmte. Er drückte auf die mit »OK« gekennzeichnete Taste, worauf ein Text am Bildschirm auftauchte. Er lautete: Besprechung, Montag, 10 Uhr, Büro des VSA, Thema: Operation Freiheitsschild, verstärkte Observation und Überwachung bekannter Verdächtiger, wie vom Heimatschutz vorgesehen. Walsh.
Khalil stellte das Handy ab und legte es wieder in seine Tasche. Das, so dachte er, war eine Standardnachricht, die laut Zeitangabe gesendet worden war, bevor er die Frau getötet und ihr Handy an sich genommen hatte. Und ihr Handy war noch in Betrieb, deshalb wussten sie noch nicht, dass es abhandengekommen war. Was die Person anging, die die SMS gesendet hatte – dieser Walsh –, so wusste Khalil, wer das war, und wenn sich die Gelegenheit
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