Der Lord und die Betrügerin
und Dafydd macht sich schreckliche Sorgen deswegen.«
»Welches Pferd? Brocks Hengst?«, fragte Lord Nevyll.
»Nein, der große Hengst steht dort, wo er hingehört, zusammen mit den anderen. Aber Sir Brock hatte noch ein anderes Pferd, eine nervöse kleine Stute, die er vor ein paar Tagen bei einem Würfelspiel gewonnen hatte, und... und sie ist nicht mehr da.« Der Mann schwitzte heftig, und Wynnifrydd nahm an, dass er log oder dass er irgendwie dafür verantwortlich war, dass dieses Pferd fehlte, doch er sprach schon weiter. »Also, es könnte ja sein, dass die Stute weggelaufen ist. Gott allein weiß das. Dafydd schläft manchmal bei der Arbeit ein, aber Dafydd behauptet, dass die Stute im Stall angebunden war, und heute, als er aufwachte, war sie weg. Er nimmt an, dass Sir Brock mit ihr ausgeritten ist, aber jetzt behaupten alle, dass Sir Brock vermisst wird. Und ich dachte, Ihr solltet das mit der Stute wissen.«
»Was willst du also damit behaupten?«, fragte Wynnifrydd diesen Wurm von einem Mann. »Dass Sir Brock mich verlassen hat, dass ich allein vor dem Altar auf ihn warten soll, dass er das getan hat, nur um mich in Verlegenheit zu bringen?«
»Oh, nein, nein, M'lady«, beeilte sich John zu antworten. »Vielleicht ist er ausgeritten, oder er wollte jagen, und er hatte einen Unfall. Das will ich damit sagen.«
Also, das ergab schon eher einen Sinn. Eine Sekunde lang fühlte sie Erleichterung. Natürlich würde Brock sie nicht absichtlich an ihrem Hochzeitstag verlassen haben. Wirklich, gerade erst kurz vorher hatte sie ihn doch gesehen und...
Lord Nevyll reagierte sofort. »Versammelt die Truppen«, befahl er dem Soldaten. »Ich will, dass jeder verfügbare Mann im Wald nach ihm sucht.« Tiefe Sorgenfalten hatten sich in sein Gesicht eingegraben. »Aber seid vorsichtig. Brock ist ein ausgezeichneter Pferdekenner, es könnte also sein, dass er keinen Unfall hatte, sondern dass jemand ihn angegriffen hat.«
»Wer sollte so etwas tun?«, spottete Wynnifrydds Vater.
»Vielleicht ein Bandit, der ihn erkannt hat und der meinen Sohn gegen ein Lösegeld festhält.«
Lord Seth zog zweifelnd eine Augenbraue hoch und sah sich angelegentlich in dem spärlich eingerichteten Zimmer mit den zerschlissenen Wandbehängen und den rissigen Wänden um.
Baron Nevyll ließ sich nicht davon abbringen. »Oder... oder vielleicht hat jemand etwas gegen diese Ehe.«
»Und wer sollte das wohl sein?« Wynnifrydds Vater schnaufte verächtlich.
»Das weiß ich nicht, aber eventuell hat jemand seine Gründe, ein Bündnis zwischen Oak Crest und Fenn zu verhindern.«
Wynnifrydd zuckte zusammen. Das war ein ganz neuer Gesichtspunkt. Und einer, der weitaus plausibler war als nur der, dass Brock ausgeritten war und einen Unfall gehabt hatte. Eine neue Furcht überkam sie.
»Ihr wollt nur die Unverschämtheit Eures faulen Sohnes verbrämen, seine Grobheit und seine Respektlosigkeit. Aber was auch immer die Gründe für seine Abwesenheit sind, ich würde vorschlagen, Ihr versucht ihn zu finden, und zwar bald«, meinte Seth.
Elyn, dachte Wynnifrydd in einem Augenblick der Klarheit. Irgendwie steckte Elyn hinter dem Verschwinden von Brock. Entweder war sie zurückgekommen, um ihn aus ihrem Grab heraus zu verfolgen, oder sie war noch sehr lebendig, und die beiden Liebenden hatten Wynnifrydd zum Gespött gemacht.
Auf einmal war ihr übel. Sie fühlte Abscheu und grauenvolle Erniedrigung. Bei den Göttern, sie würde das nicht zulassen. Sie würde die Ungerechtigkeit und die Schmach nicht erdulden. Wynnifrydd ballte die Hände in den Falten ihres herrlichen weißen Kleides zu Fäusten. Egal, was der Grund für Brocks Verschwinden war, Elyn würde damit nicht durchkommen, ob sie nun tot oder lebendig war.
Kiera fühlte, wie die Winterkälte durch ihren Umhang kroch, während sie dem Priester lauschte, der ein letztes Gebet am Sarg von Lady Lenore sprach. Erst vor einem Tag hatte sie einige Zeit mit dieser Frau verbracht und hatte ihr ein Versprechen gegeben, das sie unmöglich einhalten konnte. Jetzt lag Kelans Mutter im Grab neben ihrem Ehemann. Die Beerdigung hatte auf Kelans Drängen hin sofort stattgefunden. Er konnte es nicht ertragen, dass der leblose Körper seiner Mutter innerhalb der Schlossmauern lag.
Die Menge der Menschen, die um Lady Lenore von Penbrooke trauerte, war groß. Alle Leute aus der Umgebung hatten sich versammelt und standen um das frisch ausgehobene Grab oder zumindest in der Nähe. Bauern, Ritter, Händler,
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