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Der Lüge schöner Schein

Der Lüge schöner Schein

Titel: Der Lüge schöner Schein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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aufstöbern.«
    Sie stand auf und streckte sich, als wäre sie eben erst aufgewacht.
    »Hab ich richtig verstanden, dass du ein Nachtlager für uns aufgetrieben hast?«
    Pascoe erklärte ihr kurz die Sache mit den Culpeppers, ohne seine irrationale Abneigung gegen Marianne zu erwähnen.
    »Aha«, sagte Ellie, »klingt verdächtig nach süßem Sherry und Mitgefühl. Dann geh ich mich jetzt frisch machen, und nachher hätte ich nichts gegen ein bisschen frische Landluft, bevor wir unseren Gastgebern gegenübertreten.«
    »Gute Idee. Wir haben genügend Zeit«, meinte Pascoe.
    Die Tür ging auf und Mrs. Crowther kam herein.
    »Er ist also weg«, grunzte sie. Ihr Blick fiel auf das Teetablett.
    »Und meinen Tee kann ich jetzt selber trinken?«
    »Oh, wie dumm von mir«, rief Ellie aus. »Hab ich vergessen. Tut mir leid.«
    »Hört mal«, sagte Pascoe, »trinkt ihr doch zusammen eine Tasse. Er ist bestimmt noch heiß. Ich werfe schnell einen Blick auf den Wagen. Mir kommt vor, der schluckt ziemlich viel Öl in letzter Zeit.«
    Ellie sah ihn fragend an, aber er ging, bevor sie etwas sagen konnte. Wie erwartet, war der Teil des Hauses, der die Polizeistation bildete, leer. Crowther hatte heute Nachmittag bestimmt jede Menge im Dorf zu tun. Pascoe ging geradewegs zu dem Tisch, auf dem die alte Imperial-Schreibmaschine stand, und entdeckte auch gleich, wonach er gesucht hatte. In dem hölzernen Ablagekorb neben der Maschine lagen Crowthers Aufzeichnungen über das Dorfleben und der Durchschlag der getippten Version, die Backhouse bekommen hatte. Er ließ das unleserliche Gekritzel liegen und nahm die Kopie.
    Er hatte gerade mit dem ersten der fünf DIN -A4-Blätter begonnen, da ertönte eine Stimme hinter ihm.
    »Verzeihung.«
    Pascoe fuhr so heftig zusammen, dass sein Bein zuckte und schmerzhaft gegen die Schreibtischkante schlug. Junge, Junge, dachte er, deine Nerven liegen ja ganz schön blank.
    Instinktiv ließ er die Blätter in den Korb gleiten, bevor er sich umdrehte.
    Auf der anderen Seite der kleinen Theke, die die Öffentlichkeit vom geneigten Ohr des örtlichen Gesetzeshüters trennte, stand eine zerbrechliche alte Dame, die irgendeine Uniform trug. Frauenwohlfahrtsverband?, fragte sich Pascoe.
    »Ich hätte gern mit Mr. Crowther gesprochen.« Sie sprach langsam und mit sanfter Stimme. Eindeutig von der wohltätigen Sorte, dachte er. Stickereien mit erbaulichen Sprüchen und Eintopf für die armseligen Hütten der Landarbeiter.
    »Er ist leider momentan nicht da. Ich weiß nicht, wann er zurück sein wird. Ist es dringend?«
    »Ich bin mir nicht sicher.«
    Sie blickte ihn durchdringend an und fragte unschlüssig: »Sind Sie Polizist?«
    »Hm, ja. Ich bin Sergeant Pascoe«, antwortete Pascoe.
    »Sergeant. Dann geht das wohl in Ordnung. Mein Name ist Alicia Langdale.« Sie hielt inne. Effekthascherei?, fragte sich Pascoe. Ist sie die Gutsherrin hier? Sollte ich mich beeindruckt zeigen?
    »Ja?«, ermunterte er sie.
    »Es hat nämlich mit meiner Arbeit zu tun. Das macht das Ganze so heikel.«
    »Und
worin
besteht Ihre Arbeit, Mrs. Langdale?«
    »Miss. Das sieht man doch. Ich bin Briefträgerin.«
    O Gott!, dachte Pascoe. Deshalb der Aufzug! Ihm war klar, dass er den geringen Status, den ihm sein Dienstgrad verschafft hatte, damit wieder verspielt hatte.
    »Natürlich«, sagte er lächelnd.
    »Meine Schwester Anthea und ich betreiben das Postamt. Sie macht den Innendienst, und ich trage die Post aus. Normalerweise geben die Leute ihre Briefe natürlich auf, ein Lieferwagen sammelt sie ein und befördert sie zum Hauptpostamt in der Stadt, wo sie sortiert werden.«
    »Ah ja«, sagte Pascoe.
    »Aber manchmal, wenn sich’s um Post für die Gegend handelt – Sachen, die ich ja sowieso wieder austragen muss –, legen die Leute sie einfach an den Schalter oder stecken sie in unseren Briefkasten.«
    Sie reckte ihr Kinn und sah ihn herausfordernd an. Da wusste Pascoe auf einmal, worum es ging. Er nahm den Brief, den Miss Langdale aus ihrer großen Tasche zog und starrte auf Colins eigenwillige Handschrift:
J. K. Palfrey, Eagle and Child, Thornton Lacey.
    Ein Gedankenschwarm flog auf und flatterte in Pascoes Kopf herum. Die richtige Vorgehensweise lag auf der Hand. Den Brief für Backhouse übernehmen, der ihn dann zu Palfrey bringen und diesen auffordern würde, ihn vor seinen Augen zu öffnen. Wenn er für die Untersuchung ohne Belang war, wäre die Sache damit erledigt. Wenn er aber von Bedeutung war …! Irgendwie

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