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Der Lüge schöner Schein

Der Lüge schöner Schein

Titel: Der Lüge schöner Schein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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Eagle kam, und dass Palfrey bei seinen Mittagsgästen nicht die übliche große Lippe riskierte.«
    Und Colin schrieb an diesem Nachmittag einen Brief an Palfrey. Was zum Teufel mochte darin gestanden haben? Backhouse wusste es bestimmt. Aber wusste er auch, was dahintersteckte? Keine Frage. Genauso wie er, Pascoe, es gewusst hätte, wenn es ihm gelungen wäre, Crowthers ganzen Bericht zu lesen!
    Viel mehr wurde nicht mehr gesprochen, bis sie zum Dorf kamen. Vor dem Eagle and Child blieben sie stehen.
    »Trinken wir noch was?«, fragte Davenant.
    »Lieber nicht«, antwortete Pascoe. »Und hier sowieso nicht.«
    »Nein, natürlich nicht. Dann gehen wir eben in das andere Pub.«
    Sie kamen gerade noch rechtzeitig vor der Sperrstunde. Das Lokal war brechend voll, und Molly Dixon hatte alle Hände voll zu tun. Ihr schwungvoller Einsatz zeigte, dass sie mit Leib und Seele Wirtin war, und sie begrüßte Pascoe mit einem aufmunternden Lächeln und einem raschen, aber aufrichtig besorgten: »Alles okay?«
    »Bestens«, sagte er.
    »Ist Mr. Dixon nicht da?«, fragte er, nachdem sie das Bier für ihn und Davenant gezapft hatte.
    »Nein«, erwiderte sie. »Er ist beim jährlichen Abendessen seines Kegelclubs. Praktischerweise ein Herrenabend! Die letzten Bestellungen, bitte, meine Herren! Auf, auf! Sitzt noch jemand auf dem Trockenen?«
    Bei ihr klang es, als sei sie aufrichtig betrübt, den Nachschub stoppen zu müssen. Eine bewundernswerte Fähigkeit, dachte Pascoe. Besonders, wenn man allein war.
    Als er sich umsah, merkte er, dass mehrere Augenpaare auf ihn gerichtet waren. Eher die von Journalisten, als die von Einheimischen, schloss er sofort. Die Wachheit der Sinne, die aus ihnen sprach, stand in krassem Gegensatz zu der spätabendlichen Ausgelassenheit des restlichen Publikums.
    In Gedanken versunken trank er sein Bier, sah seinen Trinkgenossen an und fragte sich, ob der wohl als Puffer gegen seine Kollegen taugte. Wahrscheinlicher war jedoch, dass seine Gegenwart die anderen erst recht heiß machte, aus Angst, sie könnten etwas verpassen.
    »Wie lange sind Sie schon Journalist?«, fragte Pascoe.
    »Jahrhunderte, Schätzchen«, antwortete Davenant. »Lassen Sie sich von meinem aristokratischen Profil nicht täuschen. Ich entstamme einer armen, wenn auch ehrbaren Familie, die mich bei der ersten Gelegenheit zum Geldverdienen in die Welt hinausschickte. Aber ich wüsste gerne, wie sich ein Polizist fühlt, dem plötzlich die Ermittlungen in einem Mordfall so nahegehen? Ein bisschen wie Torquemada, der versehentlich in die eiserne Jungfrau geraten ist, könnte ich mir vorstellen.«
    »Sie müssten es doch wissen.«
    »Wissen ist nicht dasselbe wie fühlen.«
    Einer Fortsetzung dieser kryptischen Unterhaltung entging Pascoe, weil in der Ferne ein Feuerwehrwagen klingelte. Die Gespräche verstummten, als er heranbrauste, so schnell, dass nur mehr die rasch schwächer werdenden Rücklichter zu sehen waren, als diejenigen, denen die Neugier keine Ruhe ließ, die Tür erreicht hatten.
    »Traurige Zeit für einen Brand«, bemerkte Davenant.
    »Wie bitte?«
    »Der Herbst. Heuhaufen hoch und Kornspeicher randvoll gefüllt. Ob die freundliche Dame hinter dem Tresen wohl einem Vorschlag zugänglich ist? Nachschub betreffend, meine ich.«
    »Sie hat schon die letzten Bestellungen ausgerufen.«
    »Die will ich jetzt ja auch machen.«
    Davenant leerte sein Glas und ging an die Bar. Sobald er sich entfernt hatte, trat ein großer, grauhaariger Mann an Pascoe heran.
    »Mr. Pascoe? Ich bin vom
Echo
. Könnte ich Sie kurz sprechen?«
    »Nein«, sagte Pascoe.
    »Es geht ganz schnell. Bitte.«
    Auch andere lenkten ihre Schritte in seine Richtung, bemerkte Pascoe unwillig.
    »Schieben Sie ab«, sagte er.
    »Ach, kommen Sie, Sergeant!«
    Sein Dienstgrad wurde wie eine Drohung ausgesprochen. Ruhig stellte Pascoe sein Glas auf den nächsten Tisch. Er hatte sich völlig in der Gewalt, schloss jedoch nicht gänzlich aus, dass er dem Mann die Visage mit dem anzüglichen Grinsen polieren könnte. Aber dazu wollte er die Hand frei haben. Nicht, dass er es wirklich tun würde. Natürlich nicht.
    »Es muss ein furchtbarer Schock für Sie gewesen sein, Sergeant«, sagte der Reporter.
    Pascoe überlegte es sich anders, ballte die Faust, überlegte es sich noch einmal und steckte sie tief in die Hosentasche.
    »Gehen Sie«, sagte er.
    Die Bartür wurde aufgestoßen. Ein aufgeregtes Bäuerlein kam herein und sprach mit einem Bekannten. Andere sahen auf,

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