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Der Lüge schöner Schein

Der Lüge schöner Schein

Titel: Der Lüge schöner Schein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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interessant, dachte Pascoe, der sich des Gefühls nicht erwehren konnte, dass das Ganze nicht echt war, dass hier etwas inszeniert wurde.
    »Aus London womöglich?«, erkundigte sich die Alte, als wollte sie ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt wissen.
    »Genau«, erwiderte Marianne.
    »Hab ich’s mir doch gedacht.« Sie nickte triumphierend und ging.
    »Marianne«, rief Culpepper von unten, »John und Sandra sind im Aufbruch.«
    »Wir müssen leider, Eric ist nämlich erkältet, und wir wollen ihn nicht zu lang mit dem Babysitter allein lassen«, hörte man Sandra sagen.
    Marianne blickte unentschlossen auf Pascoe und Davenant, dann wandte sie sich um und ging hinunter. Davenant schickte sich an, ihr zu folgen.
    »Ich habe gar nicht gewusst, dass sie Freunde in der Gegend haben«, sagte Pascoe und setzte sich aufs Bett.
    »Warum sollten Sie auch? Ich hab’s ja von Ihnen auch nicht gewusst. Ich meine, ich habe Ihr seltsames Benehmen im Pub auch nicht verstanden, bis mir klar wurde, wer Sie sind.«
    »Ach. Kennen Sie die Culpeppers schon lang?«, fragte Pascoe.
    »Nicht sehr. Eigentlich gar nicht. Ich vermute, die liebe Marianne hat wegen des alten Drachens ein bisschen dick aufgetragen, als sie mich einen alten Freund nannte! Nein. Um ehrlich zu sein …«, er zögerte und sah Pascoe prüfend an. »Um ehrlich zu sein«, fuhr er fort, »wenn ich ein alter Freund von irgendjemandem bin, dann von Ihren alten Freunden.«
    »Wie bitte?«, fragte Pascoe. Dann, verblüfft: »Sie meinen von Colin und Rose?«
    »Ja. Also, eigentlich mehr von Tim und Carlo. Obwohl ich Rose und Colin auch gut gekannt habe.«
    Pascoe erhob sich und schloss die Tür.
    »Ich glaube, Sie sollten mir jetzt ganz genau erzählen, warum Sie hier sind, Mr. Davenant«, sagte er. Vergebens bemühte er sich, einen drohenden Ton zu vermeiden.
    Davenants Geschichte war schnell erzählt. Er war in Oxford gewesen, um für einen Artikel über die regionale Küche Englands zu recherchieren, und hatte am Vormittag von den Morden gehört. Als die Namen erwähnt wurden, hatte er sich auf den Weg nach Thornton Lacey gemacht.
    »Ich habe gezittert wie Espenlaub, das können Sie mir glauben. Ich konnte kaum geradeaus fahren. Aber ich musste kommen, das verstehen Sie sicher. Als ich ankam, hatte ich mich schon ein wenig gefangen. Irgendwie wäre ich mir komisch vorgekommen, als Freund der Ermordeten hier aufzutauchen.«
    »Warum«, wollte Pascoe wissen.
    »Dann ist man einer der Leidtragenden. Die Leute reden nicht mehr so offen mit einem. Ihnen ist es doch sicher auch nicht anders ergangen.«
    »Da könnten Sie recht haben«, gab Pascoe widerwillig zu.
    »Ich wollte Fragen stellen, meine Nase reinstecken. Journalist sein. Genauso, wie Sie wahrscheinlich darauf brennen, Polizist zu sein. Ich wollte alles, was nur ging, über diese furchtbare Geschichte in Erfahrung bringen. Also habe ich die dumme Story von dem Redakteur erfunden, der mich hergeschickt hat.«
    »Und durchaus überzeugend«, sagte Pascoe leise.
    »Heißen Dank. Ich wollte mich wirklich gerne mit Ihnen unterhalten, als ich herausfand, wer Sie sind. Ich habe erfahren, dass Sie hier übernachten. Und als ich den Namen Culpepper hörte, dachte ich, na so was! Hartley! Ich habe ihn ein paarmal in London getroffen, bei gemeinsamen Bekannten, und ich wusste auch, dass er irgendwo hier auf dem Land lebt, aber dass es Thornton Lacey war, hatte ich völlig vergessen. Was für ein reizender Zufall, unter anderen Umständen.«
    »Reizend. Man hat Sie also unten versteckt?«
    »Ja, so lange, bis die anderen Gäste weg wären. War das Einfachste. In einem Dorf wie diesem wimmelt es ja nur so von Argusaugen und Klatschmäulern.«
    »Und Waldohreulen.«
    »Was? Ach ja. Möchte wissen, wo der Flattermann abgeblieben ist.«
    Er wandte sich wieder dem Fenster zu und starrte hinaus in die sternenklare Nacht.
    »Herbst«, bemerkte er. »Immer eine Zeit der Trauer. Jetzt tut’s mir echt leid, dass ich Sie gestört habe. Ich sollte lieber gehen.«
    »Wo übernachten Sie?«
    »Bei Ihrem verhinderten Sparringpartner.« Davenant drehte sich um und lächelte. »Im Eagle. Wenn ich mich jetzt auf den Weg mache, komme ich gerade noch rechtzeitig zu einem Schlummertrunk an der Bar.«
    »Sie sind zu Fuß gekommen? Ich fahre Sie zurück«, bot Pascoe an.
    »Das ist furchtbar lieb von Ihnen. Aber ich gehe wirklich gern zu Fuß. Und vielleicht ist mir
Asio otus
noch einmal hold.«
    »Dann begleite ich Sie«, sagte Pascoe.

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