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Der Lügner

Der Lügner

Titel: Der Lügner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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gegangen.«

II
     
    Adrian ging über den Makart-Steg, der den Österreichischen Hof mit der Altstadt verband. Unter ihm floß die Salzach, hinter ihm der Verkehr über die Staatsbrücke, um ihn herum flossen Touristenmengen und in ihm dunkle, furchtbare Gedanken.
    Einige der Geschäfte am Franz-Josef-Kai hatten schon Poster der Dirigenten und Solisten, die während der Festspiele auftreten sollten, in die Fenster gehängt. Ein Schirm- und Koffergeschäft am Taxistand, wo Adrian wartete, hatte sich in die gelbschwarze Livree der Deutschen Grammophon-Gesellschaft geworfen. Eine riesige Fotografie Karajansleuchtete zu ihm heraus, offenes Mißtrauen auf der gerunzelten Stirn und den zusammengezogenen Augenbrauen, allzu deutliche Verachtung auf dem hochgereckten Kinn und mit saurem Zug um die Mundwinkel. Zweispännige Fiaker schnellten vorbei, die Touristen und Festspielgäste die Müllner Hauptstraße entlangtrugen. Adrian sah ein Bild der ganzen Szenerie durch eine Kamera, die immer weiter wegzoomte, mit ihm im Zentrum kleiner und kleiner werdend, bis er zum eingefrorenen Teil einer Postkarte wurde, die in einer warmen Vorstadtküche in England an der Pinnwand hing, ewig in der Falle, von gepriesener Unfähigkeit, sich in Zeit oder Raum vor oder zurück zu bewegen.
    Endlich, nach zwanzig Minuten, als er sich gerade darauf vorbereitete, ins Geschäft zu treten und nach Bussen zu fragen, hielt ein Mercedes am Taxistand neben ihm.
    »Britisches Konsulat bitte. Alter Markt 4.«
    »Aber da kennen S’ in zwei Minuten hinspazieren.«
    »Scheiße. Egal. Das macht nichts. Bringen Sie mich trotzdem hin. Es sieht nach Regen aus.«
    In der Tat, während Adrian noch sprach, fielen die ersten Tropfen, und als das Taxi am Alten Markt vorfuhr, der tatsächlich nur wenige Minuten zu Fuß entfernt war, goß es in Strömen. Das Taxi hatte nicht direkt vor der Tür des Konsulats halten können, Adrian mußte sich daher seinen Weg über den Markt bahnen, wo die Leute bei einem Laden Schutz suchten, der künstliche Blumen verkaufte. Nummer 4 selbst war eine kleine Tür neben der Oberbank, ein paar Schritte von Holzermayer runter, wo man Mozartkugeln verkaufte. Im vorigen Sommer hatte Adrian dort eine Schachtel für seine Mutter erstanden.
    »Sir David wer?«
    Die Frau am Tisch war keine große Hilfe.
    »Pearce. Ich weiß, daß er da ist, könnten Sie ihm einfach sagen, daß … Moment.« Adrian nahm eine Festspielbroschüre vom Stapel auf dem Tisch und schrieb etwas auf eine weiße Stelle auf der Rückseite. »Zeigen Sie ihm das einfach. Ich bin sicher, daß er mich sehen will.«
    »Also, tut mir leid. Mr. … Telemeck, heißt das?«
    »Telemach.«
    »Am Konsulat gibt es niemanden namens Sir David irgendwas. Hat es nie gegeben.«
    »Er ist hier. Er muß hier sein.«
    »Sie haben Schwierigkeiten, nehme ich an? Brauchen Sie Geld?«
    »Nein, nein, nein. Hören Sie, können Sie den Konsul anrufen und ihm sagen, daß Telemach darauf besteht, Sir David Pearce zu sehen. Sagen Sie ihm das einfach.«
    »Ich probier’s bei seiner Sekretärin«, sagte sie naserümpfend.
    Adrian trommelte ungeduldig mit den Fingern auf dem Tisch.
    »Hallo, Mitzi? Hier ist Dinah von der Rezeption. Ich habe hier einen jungen Herrn, der sagt, er will einen Sir David Pearce sehen. Ich habe ihm gesagt, wir … oh … ich frage ihn.«
    Die Rezeptionsdame bedachte Adrian mit einem gefechtsmäßig finsteren Blick.
    »Wie war noch mal der Name?«
    »Oh, Healey. Adrian Healey.«
    »Das haben Sie eben nicht gesagt.«
    »Egal, sagen Sie einfach Adrian Healey.«
    »Mitzi? Adrian Healey … ja, ich bleibe dran.«
    Sie wandte sich wieder Adrian zu. »Könnten Sie das unterlassen?«
    Adrian lächelte. Seine Finger hörten auf, auf den Tisch zu trommeln.
    »Ja, Liebes? Gut. Ihr schickt jemanden runter, ja?«
    »Alles in Ordnung?« fragte Adrian.
    »Sie sollen warten. Da ist ein Stuhl.«
    Die Worte hatten kaum ihre Lippen hinter sich gelassen, als Adrian oben eine Tür zuschlagen und Fußtritte die Treppe herabkommen hörte. Ein Mann mit fettigem Haar in einem ultramarinblauen Safarianzug schritt mit ausgestreckter Hand auf ihn zu.
    »Adrian Healey?«
    »Ich glaube, wir sind uns schon begegnet«, sagte Adrian. »Auf der Autobahn Stuttgart–Karlsruhe.«
    »Dickon Lister. Einfach entzückt. Kommen Sie doch mit hoch, ja?«
    Adrian folgte Lister die Mitteltreppe hoch in einen riesigen Empfangssaal. Auf dem Sofa, über ein kleines Radio gebeugt, saß mit einem Ohrstecker im linken Ohr

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